Karlo geht von Bord - Kriminalroman
kam es knapp zurück. Karlo war enttäuscht. Der Ford Fiesta war nicht gerade sein Lieblingsauto. Lieber hätte er Einsers Chevy gelenkt.
Einser hielt auf der rechten Spur und schaltete die Warnblinkanlage ein. Er stieg aus, ging zu seinem Wagen und öffnete die Tür. Dabei schaute er routinemäßig auf die Windschutzscheibe. Ein Strafzettel klemmte hinter dem Scheibenwischer.
Mist. Na ja, wenigstens hatten sie ihn nicht abgeschleppt.
Er entriegelte die Tür, zog sie auf und steckte den Kopf ins Wageninnere.
Er wollte schon aufatmen, da sah er die Bescherung. Die hintere Scheibe auf der rechten Seite war eingeschlagen. Und die Tasche mit dem Fotoapparat war weg.
Der folgende Tobsuchtsanfall dauerte ungefähr eine Minute und war etwas für Fortgeschrittene. Karlo kauerte hinter dem Steuer des Fiesta und hielt die Luft an. Der Blick, den Einser über die Straße in seine Richtung abschoss, gab Anlass zu allerlei Befürchtungen.
–
Karlo hatte den Fiesta wieder vor Karl Einsers Haus abgestellt und dann auf dem Beifahrersitz des Chevys Platz genommen. Während der ganzen Fahrt bis Rödermark traktierte ihn Karl mit Vorwürfen. Karlo hatte von Zeit zu Zeit die Augen gerollt – selbstverständlich so, dass Einser es nicht bemerken konnte – und eisern geschwiegen. Diese Kreativität, ständig neue Varianten der gleichen Beschuldigungen zu präsentieren, kannte er eigentlich nur von seiner Freundin.
Vor der Wohnung von Alex Hamberger angelangt, hatten sich die Einser’schen Gemütswogen etwas geglättet.
Etwas.
Karlo sparte sich lieber den Hinweis auf die Versicherung, die den Schaden bezahlen würde. Was im Falle der eingeschlagenen Scheibe auch sicher der Fall war. Der Fotoapparat auf dem Rücksitz allerdings war bestimmt ein kulanztechnischer Grenzfall.
Hamberger war zu Hause. Als Karlo mit Einser im Schlepptau die letzten Stufen zur Wohnung des Freundes hinaufstieg, stand Alex schon an der Tür. Er sah überrascht aus.
„Hallo, Jungs“, tönte es den Ankömmlingen mit einigem Erstaunen entgegen.
Hamberger bemerkte die verdrießliche Miene Einsers sogleich.
„Ist was passiert?“, erkundigte er sich besorgt.
„Wie man’s nimmt.“ Karlo streckte ihm die Hand entgegen. „Hast du einen Moment Zeit?“
„Ja klar. Kommt rein. Geht schon ins Wohnzimmer. Kann ich euch etwas anbieten?“
„Bier.“
„Und du, Karl?“
„Bier.“
„Ich hab aber leider nur alkoholfreies da.“
„Scheiße!“
Alex Hamberger spürte, dass irgendwas in der Luft lag. Das klamme Gefühl, dass etwas nicht stimmte, überwog seine Neugierde. Und so traute er sich nicht nachzufragen.
Nichtsdestotrotz musterte er Karlo erwartungsvoll.
Der setzte erst einmal die Flasche an, nahm einen vorsichtigen Schluck und zog angewidert die Oberlippe hoch. Schnell stellte er die Flasche mit dem Bier-Ersatz vor sich auf den Tisch, schob sie ein Stück von sich weg und begann mit der Befragung. Er bemühte sich, unverfänglich zu klingen.
„Ach, Alex – ehe ich es vergesse – geht da was mit dem Wein? Du weißt schon …“
Als Alex Hamberger antwortete, sah man ihm das ehrliche Bedauern an.
„Ach so, der Wein. Gut, dass du hier bist. Ich wollte dich sowieso anrufen. Im Moment scheint nichts zu laufen. Ich hab keine Ahnung, was los ist. Ich kann den Typen nicht erreichen. Das Handy ist aus und eine Adresse hab ich nicht. Ich kann dir deshalb im Moment nichts versprechen. Tut mir leid, Karlo.“
„Schon gut. Macht nichts.“ Karlo winkte ab, bevor er mit leicht zusammengekniffenen Augen nachhakte. „Du hast immer nur mit dem gleichen Mann Kontakt gehabt?“
„Ja, warum fragst du?“
Hamberger verstand nicht, auf was Karlo hinauswollte.
„Weißt du, wie der heißt?“
„Keine Ahnung, ich kenne nur den Vornamen.“
„Und?“
„Was und?“
„Der Vorname.“
„Warum musst du das wissen?“
„Jetzt sag schon. Bleibt unter uns.“
„Er hat sich mir als Volker vorgestellt. Aber …“
„Willst du wissen, warum du nichts mehr von dem gehört hast?“
Hamberger spürte immer mehr, dass etwas nicht in Ordnung war. Deshalb war er nicht mehr so sicher, ob er noch mehr hören wollte. Die Vermutung, dass Karlo es ihm sowieso erzählen würde, lag jedoch nahe.
„Hmm?“, brummte er daher fragend. Seine Unsicherheit wuchs.
Karlo wandte sich an Einser.
„Sag du es ihm.“
Einser zuckte die Achseln.
„Weil man ihn heute aus dem Main gezogen hat. Tot.“
Hambergers Gesicht wurde aschfahl. Er griff sich an den
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