Karlo und der grüne Drache - Kriminalroman
summte.
„Was sagt Joe?“
Die junge schwarzhaarige Frau sprach sehr leise, mit starkem osteuropäischen Dialekt. Ihre Deutschkenntnisse schienen marginal. Sie konnte nicht viel älter als achtzehn Jahre sein, wenn überhaupt, und wirkte eingeschüchtert.
„Du sollst ab nächste Woche für einige Zeit in Frankfurt arbeiten.“
Die Frau schaute erstaunt.
„Das alles? Joe hat schon gesagt.“
Karlo hatte während der gesamten Busfahrt fieberhaft überlegt, es war ihm jedoch nichts Besseres eingefallen. So ein Mist. Da sagte er der Frau etwas, das von Joe schon lange geplant war. Ein dummer Zufall? Doch die Frau sprach weiter.
„Und was mit Passport? Ich kriege dann zurück?“
Karlo verzog das Gesicht.
„Wie, Passport? Joe hat deinen Ausweis?“
„Joe wollte brauchen für Meldung, für Aufenthalt ich glaube, für Arbeit, Frankfurt. Nicht mehr in Bett mit Männer. Ein richtig Arbeit!“
Oha, daher wehte der Wind. Das klang nicht gut. Das klang verflucht nach Zwangsprostitution. Karlo war beileibe kein Chorknabe. Mit solchen Geschäften jedoch wollte er nichts zu tun haben. Wenn Joes Finger in so einer Sache stecken sollten, wäre die Geschichte für ihn, Karlo, sowieso beendet. Allerdings vermutete Kölner, dass an einem solchen Fall noch mehr Leute dran hingen. Mit denen würde wohl nicht zu spaßen sein. Er schaute auf die junge Frau hinab, die mit gesenktem Kopf vor ihm auf einer weißen Ledercouch saß, ging drei Schritte zurück und ließ sich in den dazu passenden Sessel fallen, der gegenüber stand.
„Wie lange hat Joe deinen Ausweis schon?“
„Paar Monat. In Juli ich komme hierher. Joe sagt, in Deutschland dauert. Solange ich nicht richtig Arbeit, wegen Polizei.“
Dieser Misthund. Er dachte an die Offenbacher Adresse in der Bettinastraße. Da lief allem Anschein nach noch mehr. Vielleicht auf die gleiche Weise?
Karlo dachte an Moni. Die passte überhaupt nicht in dieses Raster. Aber jetzt war sie tot. Und nach ihm wurde genau aus diesem Grund gesucht. Es wurde immer komplizierter. Auf keinen Fall durfte Joe erfahren, dass er hier aufgetaucht war, um die junge Frau auszuquetschen. Er fragte noch einmal nach.
„Was gibt dir Joe“, er schaute sich im Zimmer um, „für deine Arbeit hier?“
„Oh, braucht das Geld für Anmeldung. Dafür Wohnung für mich und was für Essen. Aber bald fertig damit.“
Kölner schaute die Frau mitleidig an.
„Hör zu, ich will ehrlich sein. Joe wird dir deinen Passport nicht wiedergeben. Er will, dass
das hier
deine Arbeit ist. Weil ihm das viel Geld bringt. Und er will dich auch nicht anmelden. Das kannst du vergessen!“
Die junge Frau war sichtlich erschrocken.
„Aber warum er …“
Karlo fasste einen schnellen Entschluss.
„Vergiss es! Hör mir jetzt gut zu. Du darfst Joe nicht sagen, dass ich hier war. Nicht sagen, verstehst du? Ich will dir helfen. Ich besorge dir deinen Passport wieder. Du willst das hier doch nicht, oder?“
Das Mädchen wirkte verzweifelt.
„Nein, aber …“
Karlo war aufgestanden.
„Verlass dich auf mich. Du kannst mir vertrauen. Ich melde mich bei dir. Und kein Wort zu Joe!“
Er fragte noch einmal eindringlich nach: „Hast du das verstanden?“
„Ja.“
„Sicher?“
„Ja.“
„Gut. Ich melde mich.“
Karlo drehte sich um und ging zur Tür. Als er schon fast im Hausflur war, hörte er die Stimme der jungen Frau.
„Hallo?“
Er drehte sich noch einmal um.
„Warum …?“
Er versuchte freundlich zu lächeln und legte dabei den Zeigefinger an die Lippen. Schnell verließ er die Wohnung und schloss die Tür.
Vor der Haustür blieb er einen Moment stehen und überlegte. Er musste jetzt wieder dringend nach Frankfurt. Aber was sollte er Paul sagen? Kölner dachte an den guten Wein, den er zum Wildgulasch getrunken hatte. Na, das war es doch. Er würde eine gute Flasche Wein besorgen und eine entsprechende Entschuldigung schreiben. Mit dem Versprechen, demnächst wieder vorbeizukommen und die Arbeit zu beenden. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass noch etwas Zeit blieb. Vielleicht schaffte er es auch noch, wenigstens den Apfelbaum zu schneiden, der Pauls ganz besonderer Liebling war. So würde er bestimmt nicht böse sein.
Also senkte Karlo den Kopf und fiel in einen leichten Dauerlauf. Als er bei der Ampel ankam, hob er den Blick wieder, schaute nach links und bemerkte, dass für die Fußgänger noch Rot war.
Er konnte nicht sagen, ob Joe ihn bemerkt hatte. Mit Schrecken war Karlo der schwarze
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