Karlo und der grüne Drache - Kriminalroman
gestellt und Karlo verstand das als wohlwollende Aufforderung, diese bis zur Neige zu leeren. Die fehlende Hälfte des verführerischen Tropfens vermutete Karlo – ganz richtig – im Gulasch.
Er ließ den Rest genießerisch über seine Zunge rinnen, schmatzte, schlürfte laut und schloß verzückt die Augen. Wäre Karlo eine Katze gewesen, er hätte vernehmlich geschnurrt. Nun wäre ein schöner Mittagsschlaf nicht schlecht. Allerdings plagte ihn zeitgleich mit diesem verlokkenden Gedanken ein ziemlich schlechtes Gewissen. Immerhin hatte er Paul versprochen, im Garten einiges in Ordnung zu bringen. Also überließ er Zecke, dem riesigen getigerten Kater, den Part des Schnurrens und der mittäglichen Rast. Dieser hatte das Kissen auf der Kachelofenbank in Pauls Wohnzimmer in Besitz genommen.
Das Tier war vor einem halben Jahr verwahrlost und ziemlich ausgehungert vor Pauls Terrassentür aufgetaucht. Zecke musste gespürt haben, dass Paul ein weiches Herz besaß und war schon nach einigen Tagen der intensiven Prüfung, insbesondere der Erkundung schmackhaft gefüllter Fressnäpfe, bei Paul eingezogen. Widerstand zwecklos. Und wenn bei Paul noch Zweifel bestanden hätten, wären sie von Sina, seiner Nachbarin, zerstreut worden. Sina hatte sich nämlich mit Haut und Haaren verliebt. Nein, nein, nicht in Paul, der allerdings seinerseits die Nachbarin schon lange mit glühendem Herzen betrachtete. Und das leider dergestalt schüchtern betrieb, dass es der Frau seiner Träume bisher nicht wirklich aufgefallen war. Der Kater jedoch hatte Sina Mehlers Herz im Sturm erobert. Paul war das durchaus nicht unrecht, weil die attraktive Frau nun auffallend oft bei ihm klingelte, um nach ihrem vierbeinigen Favoriten zu sehen. In diesem Fall ließ Paul dem grünen Eifersuchtsteufel jedoch keine Chance, sorgte Zecke doch dafür, dass Paul seine Nachbarin nun öfter sah. Tief im Inneren hoffte er natürlich, dass Sina den Kater als Vorwand nutzen würde, um bei ihm vorbeizuschauen. Diese Hoffnung war bis jetzt allerdings nicht in Erfüllung gegangen. Leider.
Karlo seufzte laut, stand schweren Herzens auf, spülte sein Geschirr, trocknete es ab und räumte es in den Küchenschrank.
Der gemütliche Platz am Kachelofen war mittlerweile verwaist und Zecke stand in auffordernder Haltung an der Eingangstür. Karlo musste an Diogenes denken. Er hatte durch die turbulenten Geschehnisse völlig vergessen, dass er Kristin Kuhl versprochen hatte, die Zettel mit der Suchanzeige aufzuhängen. Ob der schwarze Kater mittlerweile wieder aufgetaucht war? Er würde Kristin anrufen und sich entschuldigen. Doch was sollte er ihr erzählen? Nun, bei der Arbeit im Garten würde ihm ganz bestimmt etwas Passendes einfallen.
Dann wurde ihm heiß. Was für ein Tag war heute? Mittwoch? Hatte er sich nicht für heute mit Jeannette verabredet? Er nahm sich vor, sie am Nachmittag anzurufen.
Als er die Tür öffnete und auf die kleine Treppe trat, huschte der Tiger an ihm vorbei in den Vorgarten. Karlo tat es ihm gleich und holte die benötigten Gartengeräte aus dem kleinen Verschlag neben dem Haus.
–
Karlo roch es sofort. Durch den Schnitt war fast zeitgleich dieser intensive Duft in seine Nase gestiegen. Fünf oder sechs Pflanzen waren von Karlo, nach Pauls Anweisung, abgeschnitten worden. Zecke blieb immer in der Nähe und leistete dem Hobbygärtner Gesellschaft. Jetzt allerdings wälzte er sich begeistert auf den abgeschnittenen Pflanzen und schnurrte dabei wie eine Nähmaschine.
Und wieder war da diese dunkle Ahnung. Woher nur kannte er diesen Geruch? Nicht abstoßend, aber auch nicht besonders angenehm, sehr intensiv und eher streng. Der Kater schien es sichtlich zu genießen. Karlos Erinnerungsvermögen aber blieb blockiert. Er beugte sich vornüber und griff nach Zecke.
„Na, komm schon, Dicker, mach Platz, ich muss weitermachen.“
Mit leichtem Nachdruck schob Karlo den Kater beiseite, der sich mit beiden Vordertatzen in den Gartenhandschuh verkrallte und spielerisch versuchte, in Karlos Finger zu beißen.
Karlo schüttelte das Tier ab und griff sich die Pflanzen, um sie in die Biotonne zu stopfen. Dabei fielen ihm wieder die Suchzettel ein, die er für Kristin aufhängen wollte. Er schaute auf die Uhr. In einer halben Stunde würde Paul nach Hause kommen. Vielleicht wäre es gut, vorher in Ruhe mit Kuhls Frau zu reden, um ihr das Gefühl zu geben, er hätte sein Versprechen nicht gänzlich vergessen.
Auf der Bank am Kachelofen sitzend,
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