Karlo und der grüne Drache - Kriminalroman
Karlos Wohnung. Karlo schirmte die Innenraumbeleuchtung mit beiden Händen ab und presste seinen Schädel gegen die Scheibe. Nur im ersten Stock brannte Licht. Sonst war nichts Verdächtiges zu bemerken.
An der Endstation Schießhüttenstraße stieg er aus und ging den Fußweg zurück, der oberhalb des Mains parallel zu den Straßenbahngleisen verlief. Es war nun stockfinster, doch gerade das war Karlo recht.
In der Deckung einer großen Pappel beobachtete er die Rückseite des Hauses. Im Erdgeschoss brannte nun auch Licht. Außerhalb des Hauses befand sich niemand, das schien ziemlich sicher. Also marschierte er durch einen Seitenweg zur Hauptstraße und näherte sich so der Vorderfront des Gebäudes mit konzentrierter Wachsamkeit.
Die Reihen der parkenden Wagen beiderseits der Straße waren leer. Karlo hatte sich seine Schiebermütze tief über die Augen gezogen. Jeder, der Karlo kannte, hätte ihn selbstverständlich trotzdem erkannt. Für Karlo jedoch fühlte sich die Kopfbedeckung an wie eine Art Tarnkappe und war somit wenigstens für seine innere Sicherheit zuständig.
Die Ruhe schien ihm verdächtig. Immerhin suchte die Polizei nach einem Mörder. In Karlo selbst wuchs langsam, aber stetig die Angst, dass ihn mehr mit dem Tod der Frau verband, als ihm hätte lieb sein können.
Kein gutes Gefühl.
Unschlüssig ging er an seiner neuen Wohnung vorbei. Er traute dem Frieden nicht so recht und war beunruhigt. An der Ecke, direkt am sogenannten Kleedreieck, lief er Süßholz-Sauer in die dürren Arme.
Der stand dort vor dem Kiosk mit ärgerlichem Gesicht und einer Flasche Bier in der Hand.
Bevor Karlo etwas sagen konnte, eröffnete Sauer mit krächzender Stimme seine Anklage.
„Der Blödmann hätte ruhig noch warten können, bis ich ausgetrunken habe. Ein Bierchen mehr wäre auch nicht schlecht gewesen. Aber nein, man hat wegen Reichtum geschlossen!“
Karlo ignorierte Sauers Entrüstung.
„Hör schon auf, Sauer. Der macht auch wieder auf. Morgen. Aber heute könntest du dir noch schnell einen Zehner verdienen. Willst du mir einen Gefallen tun?“
„Hat das eigentlich geklappt mit der Wohnung?“
Sauers neugieriger Blick bohrte sich durch Karlo hindurch.
„Ja, genau, Wohnung. Darum geht es. Du kannst für mich was aus meiner neuen Wohnung holen. Hier, ich geb dir den Schlüssel. Wenn du mit allem zurück bist, kriegst du die Kohle.“
„Hat also geklappt? Aber warum gehst du nicht selbst? Ist doch deine Wohnung, oder?“
Sauer erschien ihm wie das personifizierte Misstrauen. Karlo versuchte unbeholfen zu erklären.
„Ach, Sauer, du kennst doch die Weiber. Ich glaube, da lauert mir irgend so eine Tante auf, die ich neulich mal kennengelernt habe. Ich hab keinerlei Bedarf, die jetzt gerade zu treffen, weißt du, ich will heute keine Diskussionen mehr. Ich brauche aber dringend ein paar Sachen. Und zwar jetzt gleich … vielleicht ist sie ja auch gar nicht da …“
Sauer schien nicht vollständig zufrieden, das spürte Karlo, er nickte aber wissend. Dann schielte er Karlo verschlagen an. Karlo dachte an eine Mischung zwischen Frettchen- und Hundeblick.
„Zwanzig? Und ich frag nicht weiter nach?“, kam die bauernschlaue Frage.
Karlo hatte keine Nerven zu verhandeln.
„Meinetwegen, du Halsabschneider. Also hör zu, ich brauche Folgendes …“
Nach dem Ende von Karlos Ausführungen schien Süßholz-Sauer kapiert zu haben. Karlo schaute ihm nach, wie er die Straße überquerte und sich dem Haus näherte. Er sah, wie der dürre Mann die Eingangstür öffnete, wie das Haus ihn verschluckte und kurz darauf das Licht anging.
Karlo wartete gespannt. Auf der Straße blieb alles still. Nur ab und zu fuhr ein Auto vorbei. Nach zehn Minuten wurde er unruhig. Als er fast schon selbst zur Wohnung gehen wollte, um nach dem Rechten zu sehen, flammte das Treppenhauslicht wieder auf.
Im selben Moment, in dem sich die Haustür einen kleinen Spalt öffnete und Sauers faltiger Kopf im Türrahmen zu erkennen war, hielt ein Wagen direkt gegenüber dem Kiosk. Noch im Ausrollen flogen beide Vordertüren auf. Karlo wirbelte herum und erkannte die wohlbekannte blausilberne Lackierung des Automobils.
Sein Schreck dauerte eine, vielleicht auch zwei Sekunden.
Als sich die Erstarrung löste, begann er zu laufen.
In der selben Nacht
11
Karlo schaute sich gehetzt um. Alles war ruhig. Gut. Er hatte sie wohl abgehängt. Eins jedoch war klar: Er musste unbedingt weg von der Straße. Seine Wohnung konnte er jetzt
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