Karlo und der grüne Drache - Kriminalroman
ist nichts passiert. Ich habe lediglich etwas … äh … gefunden, das ich abgeben will.
Das Polizeirevier war nicht weit weg, wie er nun erfuhr. Die Uniformierten waren vor einiger Zeit ins Fuldaer Stadtschloss umgezogen und Karlo war auf dem Weg zur Weinhandlung schon daran vorbeigefahren, ganz ohne es bemerkt zu haben.
„Haben Sie vielleicht ein Telefonbuch da? Ich möchte mir gerne auch noch die Rufnummer vom Revier notieren.“
Der Weinhändler schaute etwas misstrauisch, ging aber in sein Büro und blätterte im Telefonverzeichnis. Als er zurückkam, drückte er Karlo einen Zettel mit der gewünschten Nummer in die Hand. Der bedankte sich freundlich für diesen Service und die kompetente Beratung, verließ die Weinhandlung, hängte die Tüte mit den beiden Weinflaschen an den Lenker seiner Leihgabe und fuhr los.
Direkt vor dem Polizeirevier stellte er das Rad ab. Mit eiligen Schritten lief er nun zum gegenüberliegenden Busbahnhof. Sehr gut, der nächste Bus nach Hofbieber würde in knapp zehn Minuten abfahren.
Kurz bevor er in den Bus stieg, wählte er die Nummer des Polizeireviers. Als abgehoben wurde, fiel er dem Beamten sogleich ins Wort.
„Hallo, hören Sie. Hier spricht ein ehrlicher Mensch. Direkt vor Ihrer Tür steht ein geklautes Mountain-Bike. Nicht abgeschlossen. Das können Sie sichern und warten, bis sich der Besitzer meldet.“
Er zögerte. Bevor der verblüffte Polizist eine Frage stellen konnte, platzte es noch aus Karlo heraus:
„Und sagen Sie ihm, ich hätte es dringend gebraucht … sozusagen ein Notfall. Er soll nicht allzu böse sein.“
Fröhlich grinsend legte er auf.
Karlo schaffte es tatsächlich noch, wenigstens den Apfelbaum zu stutzen, eine Entschuldigung zu schreiben und den Wein daneben zu platzieren. Den Hausschlüssel legte er dazu. Er verließ das Haus und zog die Tür ins Schloss. Dann schaute er auf die Uhr und registrierte bestürzt die fortgeschrittene Stunde. Himmel, noch drei Minuten! Er rannte los. Gerade noch rechtzeitig erreichte er die Haltestelle. Schwer atmend ließ er sich auf einen freien Sitz fallen.
–
Am Hauptbahnhof Fulda musste Karlo fast eine Stunde warten. Zeit, um sich in Ruhe den Kopf über seine momentane Lage zu zerbrechen. Als der Regionalexpress losfuhr, wuchs so langsam eine Ahnung in ihm, was er tun sollte. Auf der einen Seite müsste er endlich den Hauptkommissar anrufen. Andererseits, was könnte er ihm sagen? Dass er Moni nicht umgebracht hatte? Genau das würde Gehring erwarten und ihm glauben – oder auch nicht. Nein, zuerst musste er etwas in der Hand haben.
In diesem Moment erinnerte er sich. Es war in seinem vernebelten Kopf fast untergegangen. Er rief sich die Szene zurück ins Gedächtnis. Wie war das an jenem Morgen gewesen? Jemand hatte angerufen und einen Schuss gemeldet? Wenn Moni tatsächlich erschossen worden war, dann war er doch raus aus der Sache. Er war nicht im Besitz einer Waffe. Noch nie hatte er so etwas besessen. Das brachte nur zusätzlichen Ärger und provozierte potenzielle Gegner. Vor allem, wenn diese ebenfalls im Besitz einer Feuerwaffe waren.
Er atmete innerlich ein wenig auf und spürte Erleichterung. Zumindest ein kleines Argument konnte er nun vorbringen, wenn er Gehring anrief.
Zuerst allerdings musste er in seine neue Wohnung. Sein restliches Geld und einige andere Sachen waren wichtig für die nächsten Tage. Ein paar frische Klamotten könnten auch nicht schaden. Er hoffte sehr, dass seine Wohnung nicht unter polizeilicher Beobachtung stand. Er musste sehr vorsichtig sein.
–
Karlo fuhr bis zum Frankfurter Hauptbahnhof. Er hätte durchaus schon in Offenbach aussteigen können. Der einsetzende Regen sprach jedoch gegen diese Variante und er wollte nicht zu Fuß nach Fechenheim laufen, sollte der Bus gerade abgefahren sein.
Außerdem konnte er auf der Fahrt vom Hauptbahnhof nach Fechenheim schon mal die Rückseite des Hauses, in dem sich seine neue Wohnung befand, in Augenschein nehmen. Die Straßenbahn fuhr auf dem letzten knappen Kilometer vor der Endstation direkt oberhalb des Mains, zwischen den Wohnhäusern und dem Fluss. Die Gleise liefen dort auch an der dem Main zugewandten Seite des Mietshauses vorbei.
Karlo saß in Fahrtrichtung auf der rechten Seite am Fenster. Fast wäre er eingedöst, doch er hielt sich mit Mühe wach.
Als die Bahn an der Kreuzung Mainkur rechts nach Fechenheim abbog, stieg seine Aufmerksamkeit. Nach zwei weiteren Minuten passierte das Schienenfahrzeug
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