Karlo und der grüne Drache - Kriminalroman
Hummer aufgefallen. Geistesgegenwärtig tauchte er hinter einem geparkten Auto ab. Der schwere Wagen wendete auf der Straße, direkt vor der Ampel. Karlo sprang auf und lief los. Als er die Ecke zur Sebastianstraße erreicht hatte, spähte er zurück. Joes Wendemanöver war beendet und der Wagen parkte auf der anderen Straßenseite. Nun stand Wegener vor dem Haus, das Karlo nur Minuten vorher verlassen hatte. Misstrauisch guckte er sich nach allen Seiten um und kramte dabei in den Taschen seiner Jacke, offensichtlich auf der Suche nach dem Schlüssel.
Kaum war Karlo in die Sebastianstraße eingebogen, sah er das Mountain-Bike an der Hauswand lehnen. Sein geschultes Auge bemerkte keinerlei Diebstahlsicherung an dem schönen Stück. Karlo, der Mann schneller Entscheidungen, war Sekunden später auf zwei Rädern in Richtung Königstraße unterwegs.
Das Fahrrad hatte ihm wertvolle Zeit verschafft. Er öffnete die Tür zur Weinhandlung.
Der Weinhändler verabschiedete gerade eine Kundin. Mit zwei Kartons im Arm stand er am Eingang, um sie zum Auto der Frau zu tragen. Karlo hielt den beiden die Tür auf und schlüpfte in den Verkaufsraum.
„Kann ich schon etwas für Sie tun?“
Erfreut bemerkte Karlo die nette junge Frau mit den kurzen blonden Haaren. Sie war aus dem Büro gekommen, die kleine Treppe heruntergestiegen und stand nun direkt vor Karlo.
„Ja, hallo, ich wollte einem guten Freund eine Flasche Rotwein mitbringen und bin mir nicht ganz sicher, was das Richtige ist. Vielleicht irgend etwas Gutes, was er noch nicht kennt. Und“, fügte er etwas verschämt hinzu, „etwas, das nicht allzu teuer ist. Der Herr ist schon Kunde bei Ihnen. Vielleicht kennen Sie ihn und können mir einen Tipp geben.“
„Wie heißt der Herr denn?“
„Paul Perlig aus Hofbieber. Soviel ich weiß, kauft er hier regelmäßig ein.“
„Ah, der Herr Perlig. Ich weiß schon … aber da kommt gerade der Chef. Der kennt den Herrn noch besser …“
Der Ladeninhaber hielt die Arme in die Hüften gestemmt und schaute Karlo offen an.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“
Karlo wiederholte sein Ansinnen. Ein freundliches Lächeln erschien auf dem Gesicht des Weinfachmanns.
„Ah, Sie kennen Herrn Perlig? Lassen Sie mich kurz nachdenken …“
Er entfernte sich ein paar Schritte und erklomm die vier Stufen, die zum hinteren Teil des Ladens führten. Als er zurückkam, hielt er eine schlanke Flasche mit hellem Etikett in der Hand.
„Hier habe ich vielleicht etwas Passendes. Ein Spätburgunder vom Weingut Hubertus Reis an der Mosel. Im Prinzip kennt Herr Perlig den Wein schon. Er hatte etliche Flaschen des vorigen Jahrgangs gekauft. Wir fanden ihn beide richtig gut, relativ opulent und voll für seine Herkunft. Hier habe ich jetzt den neuen Jahrgang. Biologischer Säureabbau, mindestens ein halbes Jahr im Barrique-Fass ausgebaut. Man mag ihn beurteilen, wie man will. Der Jahrgang an sich ist dieses Mal nicht ganz so stark. Es ist eher ein Wein zum Hineinhorchen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er offenbart seine Stärken erst auf den zweiten Schluck, wirkt leichter, mit ein paar zusätzlichen Bitterstoffen und etwas mehr Säure, die möglicherweise noch nachlässt im Laufe der nächsten Monate. Ich finde ihn beinahe komplexer als den vermeintlich besseren Jahrgang. Auf der anderen Seite ist es aber auch Geschmacksache“, relativierte er seine Vortrag. Dann schaute er Karlo komplizenhaft an. „Herr Perlig auf jeden Fall wird es lieben, den neuen Jahrgang zu entdecken.“
Einen Moment lang fühlte sich Karlo ziemlich überfordert von der detailreichen Beschreibung. Dann jedoch beschloss er kurzerhand, die fachmännische Empfehlung zu beherzigen.
Er nahm zwei Flaschen des angepriesenen Weins. Die Beschreibung hatte nun auch seine Neugier geweckt und er hoffte auf eine passende Stunde, ihn zu probieren. Und Jeannette fiel ihm wieder ein. Jeannette, die ebenfalls einem guten Wein nicht abgeneigt war. Die momentane Situation jedoch war nicht dazu angetan, einen weinseligen Abend in trauter Zweisamkeit zu fördern. Eine gewisse Melancholie erfüllte ihn, als er den Wein bezahlte. Da dachte er an das „geliehene“ Fahrrad vor der Tür.
„Wo ist denn hier das nächste Polizeirevier?“
Diese Frage passte so überhaupt nicht zum vorangegangenen Beratungsgespräch. Auch die junge blonde Frau runzelte die Stirn.
Karlo bemerkte die unausgesprochene Frage und beeilte sich, die Situation richtigzustellen.
„Nein, nein, keine Angst, es
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