Karlsson vom Dach
funkelten, und er machte vor Wonne einen Luftsprung.
«Ach, ich bin der Kränkste der Welt», sagte er. «Wir müssen mich so schnell wie möglich ins Bett bringen.»
Erst jetzt begann Lillebror, darüber nachzugrübeln, wie er aufs Dach hinaufkommen sollte, da er doch nicht fliegen konnte.
«Ruhig, nur ruhig», sagte Karlsson. «Ich nehm’ dich auf den Rücken, und heißa hopsa fliegen wir zu mir hinauf! Nur mußt du dich in acht nehmen, daß du die Finger nicht in den Propeller bekommst.»
«Glaubst du denn wirklich, daß du mich tragen kannst?» fragte Lillebror.
«Das müssen wir mal sehen», sagte Karlsson. «Es ist ganz interessant zu sehen, ob ich mehr als den halben Weg schaffe, so krank und elend wie ich bin. Aber ich habe immer den Ausweg, daß ich dich rauskippen kann, wenn ich merke, daß es nicht geht.»
Lillebror fand diesen Ausweg, auf halbem Wege rausgekippt zu werden, nicht gut, und er machte ein etwas bedenkliches Gesicht.
«Aber es wird schon gutgehen», sagte Karlsson. «Wenn ich bloß keinen Motorschaden kriege.»
«Denk bloß, wenn du den kriegst, dann stürzen wir ja ab», sagte Lillebror.
«Klar tun wir das», sagte Karlsson vergnügt. «Aber das stört keinen großen Geist.» Und er holte mit dem Arm aus.
Lillebror beschloß auch, als großer Geist sich nicht dadurch stören zu lassen. Er schrieb einen kleinen Zettel an Mama und Papa und legte ihn auf den Tisch:
ICH BIN OM BEI KALSON AUFM DACH.
Am besten wäre es, er könnte zurück sein, ehe sie den Zettel gelesen hätten. Sollten sie Lillebror aber zufällig vermissen, dann war es notwendig, daß sie erfuhren, wo er steckte. Sonst würde vielleicht ebensolche Aufregung entstehen wie damals, als sie bei der Großmutter waren und Lillebror auf eigene Faust Eisenbahn gefahren war. Mama hatte hinterher geweint und gesagt:
«Aber Lillebror, wenn du durchaus Eisenbahn fahren wolltest, warum hast du es mir dann nicht gesagt?»
«Na, weil ich Eisenbahn fahren wollte», sagte Lillebror.
Es war jetzt genauso. Er wollte mit Karlsson aufs Dach hinauf, und daher war es am besten, keinen zu fragen. Wenn sie entdeckten, daß er fort war, konnte er sich immer damit verteidigen, daß er jedenfalls diesen Zettel geschrieben hatte.
Karlsson war zum Abflug bereit. Er drehte am Knopf, den er auf dem Bauch hatte, und der Motor begann zu brummen.
«Spring auf», schrie er, «jetzt geht’s los!»
Und es ging los. Hinaus aus dem Fenster und hinauf in die Luft. Karlsson machte eine kleine Extrakurve über die nächsten Hausdächer, um zu sehen, ob der Motor auch ordentlich lief. Der brummte gleichmäßig und schön, und Lillebror hatte nicht ein bißchen Angst, sondern fand es bloß vergnüglich.
Zu guter Letzt landete Karlsson auf dem eigenen Dach.
«Jetzt wollen wir mal sehen, ob du mein Haus finden kannst», sagte Karlsson. «Ich verrate nicht, daß es hinterm Schornstein steht. Das mußt du selbst rauskriegen.»
Lillebror war nie zuvor auf einem Dach gewesen. Aber mitunter hatte er gesehen, wie Männer von oben Schnee herunterschaufelten und mit einem Seil um den Leib auf dem Dach herumstiegen. Lillebror fand immer, die hätten Glück, daß sie das tun durften. Aber jetzt hatte er selbst das Glück — obwohl er natürlich kein Seil um den Leib hatte. Und es kribbelte ihm so komisch im Magen, als er auf den Schornstein zu balancierte.
Dahinter lag tatsächlich Karlssons kleines Haus. Oh, es war so süß und hatte grüne Fensterläden und eine gemütliche Treppe davor, auf der man sitzen konnte, wenn man Lust hatte. Aber eben jetzt wollte Lillebror nur so schnell wie möglich ins Haus hinein und all die Dampfmaschinen und Gockelhahnbilder und alles andere sehen, was Karlsson hatte.
An der Tür war ein Schild, damit man wußte, wer hier wohnte.
KARLSSON VOM DACH
Der beste Karlsson der Welt
stand auf dem Schild.
Und Karlsson machte die Tür sperrangelweit auf und schrie:
«Willkommen, lieber Karlsson — und du auch, Lillebror!»
Dann stürzte er vor Lillebror hinein.
«Ich muß ins Bett, denn ich bin der Kränkste der Welt!» schrie er und warf sich kopfüber auf ein rotgestrichenes Holzsofa, das an der einen Wand stand.
Lillebror trat hinter ihm ein. Er platzte schier vor Neugierde.
Es war riesig gemütlich bei Karlsson, das sah Lillebror auf den ersten Blick. Außer dem Holzsofa stand da eine Hobelbank, die Karlsson offenbar auch als Tisch benutzte, und dann standen da noch ein Schrank und ein paar Stühle, und ein offener
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