Karma-Attacke (German Edition)
sie in Fetzen und warf sie aus dem Fenster. Dann kurbelte sie die Scheibe hoch.
Brigitte Zablonski versuchte die Scheibe runterzudrücken und Marga am Abfahren zu hindern, doch Marga drehte weiter an der Scheibe. Schon klemmte Frau Zablonskis Handgelenk ein. Sie konnte es nur noch unter Schmerzen herausziehen. Dann legte Marga einen Blitzstart hin wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
Schon an der nächsten Kreuzung füllten sich ihre Augen wieder mit Tränen. Es tat ihr Leid, diese Frau so beleidigt zu haben. Vielleicht hatte sie es ja ehrlich gemeint. Kaum sagt mal jemand etwas Nettes zu mir, schon stoße ich ihn zurück, dachte sie. So war es immer. Ich kann es nicht ertragen, gemocht zu werden. Darum bin ich dick geworden.
Vor lauter Tränen sah sie die Fahrbahn kaum noch. Sie wusste nicht mehr, ob das, was sie gerade tat, die größte Dummheit ihres Lebens war oder der Start in ein neues, unbeschreibliches, nie gekanntes Glück.
Sie sah in den Rückspiegel. Frau Zablonski verfolgte sie nicht. Marga wunderte sich nicht darüber. Diese Frau hatte feinere Methoden. Autojagden durch die Innenstadt gehörten nicht dazu.
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Bingo, dachte Ackers. Führ mich zu ihm! Er folgte dem alten gelben Polo und grinste. Den verblödeten pickligen Kommissar Ackers konnten sie vielleicht reinlegen. Aber Xu nicht.
Ein Wissenschaftler wie Ullrich würde nicht ohne seine wichtigsten Unterlagen fliehen. Er war zu intelligent, um wirklich brisantes Material in seinem Haus zu verstecken. Ja, so hätte Kommissar Ackers argumentiert. Das war folgerichtig und logisch. Es gab genügend Hinweise dafür, dass der Professor eine Affäre mit Frau Dr.Schumann hatte. Im Haus der Verwaltungsdirektorin hatte er mühelos Akten aus der Klinik unterbringen können, und jetzt ließ er das Wichtigste abholen.
Joachim Ackers schob den Unterkiefer vor. Er wusste, in Wirklichkeit hatte ihn der Instinkt von Xu hierhin geführt. Xu, der Hillruc-Fürst, der auf eine Revanche hoffte. Der immer noch bereit war, um Lin zu kämpfen. Es war nicht so, dass nur Toi Xu jagte. Xu jagte auch Toi.
Er versuchte, sich daran zu erinnern, wie es war, Xu zu sein. Er wollte dieses triumphale Körpergefühl zurückhaben. Er spürte es wie ein fernes Kribbeln, aber es war längst nicht so wie während der Rückführung bei Frau Zablonski. Etwas in ihm sagte ihm, er müsse sich ganz seinem Handeln überlassen. Xu dachte nicht. Xu spürte, roch und schmeckte. Bei Xu, dachte Ackers, ist der Verstand ein Instrument der Intuition. Bei Ackers versucht der Verstand, die Intuition zu instrumentalisieren. Doch das funktioniert nicht. Deshalb, dachte Ackers, kriechen wir alle so rum, statt richtig zu leben. Deshalb würde Xu über uns nur lachen.
Je mehr er sich in die Xu-Inkarnation hineinsteigerte, umso überlegener fühlte er sich. Er würde gewinnen. Scheiß auf den Polizeiapparat. Scheiß auf seine Vorgesetzten. Scheiß auf diese dumme Staatsanwältin.
Er hatte sein Nokia-Handy eingeschaltet auf dem Beifahrersitz liegen. Er war sich ganz sicher, dass Tom Götte zu Hause vor dem-Telefon saß und auf Viviens nächsten Anruf wartete. Sollte der Anruf kommen, würde Tom diese Nummer wählen und sofort durchgeben, wo sie sich befand. Er hatte diesem Jungen solche Angst eingejagt, dass er nun alles tun würde, was Ackers von ihm verlangte.
Der Kommissar hatte schon oft Leute beim Verhör eingeschüchtert. Mit aufgeblähtem Brustkorb, scharfer Stimme und abgehack-ten Drohgebärden. Doch noch nie hatte er solche Energie dabei entwickelt wie vor einer halben Stunde. Immer wenn er den Unterkiefer vorschob, bekam er diese Power. Er spürte es in den Fingerspitzen und unter den Fußsohlen. Wenn er diese Kraft spürte, hatte er das Gefühl, kein sterblicher Mensch könne sich ihm wirklich widersetzen.
Ein Rest kritischer Verstand meldete sich: Wirst du nun größenwahnsinnig, Ackers? Du glaubst, auf der Gewinnerstraße zu sein, hast aber in Wirklichkeit gerade den entscheidenden Karriereknick erlebt. Du jagst hinter einem fünfzehnjährigen Mädchen her, für das du dich auf einem anderen Planeten mal mit einem Hillruc-Fürsten duelliert hast. Es gibt eine Menge ernst zu nehmender Leute, die dich dafür in eine geschlossene Anstalt stecken würden.
Sein Gesicht brannte. Er kratzte sich die juckenden Hautstellen auf. Bremsen, kuppeln, schalten, das alles geschah mechanisch. Ackers klebte an dem gelben Polo von Marga Vollmers und fragte sich, wieso ausgerechnet die fette Putzfrau ihn zum
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