Karma-Attacke (German Edition)
Professor führen musste. Über diese Frage konnte Xu in ihm nur lächeln.
Doch weder Xu noch Ackers ahnten, dass Tom Götte keineswegs zu Hause vor dem Telefon saß. Tom lag hinten im Kofferraum. Zum ersten Mal in seinem Leben war Tom ganz bewusst einem Impuls gefolgt, dessen Herkunft er sich nicht erklären konnte. Vivien hatte ihn um Hilfe gebeten. Wirklich um Hilfe. Das hatte etwas in ihm berührt. Zigtausendmal in seinem Leben hatte man ihm gesagt, was er tun und was er lassen sollte. Was richtig und was falsch war. Was gut für ihn war und was schlecht. Pädagogen hatten auf ihn eingewirkt, Richter, Priester und Jugendpfleger. All diese hilflosen Erziehungsversuche hatten in ihm doch nicht viel mehr hinterlassen als das Gefühl, fremdbestimmt zu sein. Jetzt, als zum ersten Mal in seinem Leben ihn jemand wirklich um Hilfe gebeten hatte, spürte er Kraft in sich aufsteigen. Eine gute Kraft. Er tat das hier nicht, um Vivien ins Bett zu kriegen. Er konnte mit weniger Anstrengung Mädchen bekommen. Er tat das hier einfach, weil es nötig war.
Jetzt, im Inneren des Kofferraums, bereute er es schon wieder. Er fragte sich, wie er da hineingeraten war. Wie konnte er nur solchen Blödsinn anstellen? Welche Katastrophe richtete er jetzt schon wieder an? Wenn Kommissar Ackers nur die Hälfte seiner Drohungen wahr machte, würde er ihn einfach vernichten.
Aber sein eigenes Schicksal erschien ihm plötzlich unwichtig. Etwas anderes war viel, viel wichtiger: Vivien. Einmal im Leben würde er, Tom, wirklich den Helden spielen können. Einmal wollte er auf der richtigen Seite stehen. Einmal etwas tun, worauf er stolz sein konnte.
Trotzdem fragte er sich jetzt, wieso er nicht einfach zu Hause geblieben war. Vielleicht würde sie wirklich dort anrufen und ihn noch einmal um Hilfe bitten. Dann war er nicht da. Dann konnte er nicht einmal mit ihr reden. Hatte er sich selber ausgetrickst?
Im Kofferraum lag loses Werkzeug herum. Der Wagen fuhr jetzt mit viel zu hohem Tempo durch eine verkehrsberuhigte Straße. Die Wellen in der Straße ließen das Werkzeug hochfliegen. Tom hielt sich die Hände vors Gesicht. Wenn er hier ausstieg, würde er mit blauen Flecken übersät sein.
Dann bremste Ackers plötzlich. Tom rutschte nach vorne und flog dann wieder nach hinten. Er hatte Angst, Ackers könnte ihn gehört haben.
Aber Ackers telefonierte. Er hatte es schon oft versucht, doch der Professor hatte sein Handy nie eingeschaltet.
Klar, dachte Ackers. Er befürchtet, dass wir ihn ausfindig machen könnten. Er hat bestimmt nicht vergessen, dass er mir seine Handynummer gegeben hat, als wir bei Viviens Eltern waren.
Jetzt war besetzt. Das hieß, Ullrich benutzte sein Handy in diesem Augenblick. Es reichte nicht aus, um ihn zu orten, aber vielleicht, um einen Anruf zu landen. Einen Anruf aus einer anderen Welt.
Der Aluminiumgeschmack von Adrenalin füllte Ackers’ Mund. Er versuchte, ihn hinunterzuwürgen. Doch der Geschmack blieb. Mit ihm kam die Vorfreude auf den Sieg. Sie wurde mehr und mehr zur Gewissheit.
49
Hier war noch nie ein Hubschrauber gelandet. Der wagemutige Surfer in den Wellen wurde uninteressant. Die Touristenkinder ließen ihr Eis stehen und ihre Lenkdrachen abstürzen. Sie liefen zum Ferienhaus von Frau Dr.Sabrina Schumann.
Ein kleiner Junge schaute neugierig durchs Fenster. Den Anblick würde er sein Leben lang nicht vergessen. Ein doppelläufiges Gewehr auf dem Boden, überall Blut. Schreiend lief er zurück in den Garten.
Dort wimmelte es von Polizisten, die versuchten, das Gelände weiträumig abzusperren. Einigen zitterten die Hände. Hinterm Haus hatte sich gerade wieder einer von ihnen übergeben. Offensichtlich gegen den Wind.
Die Hubschraubertüren öffneten sich. Staatsanwältin Dr.Benthin, Harald van Ecken, Wust und zwei Uniformierte stiegen aus. Wust war sichtlich stolz, dass er dabei sein durfte. So hatte Wust es sich in seinen Heldenträumen vorgestellt. Er beneidete van Ecken. Eines Tages würde er genauso sein, würde auch solche klaren, kurzen Sätze in ein Telefon sprechen, und dann würde geschehen, was er wünschte.
«Wir brauchen einen Heli. Augenblicklich. Die Ortspolizei soll den Tatort sichern. Weiträumig! Dass mir keiner in den Spuren herumtrampelt! Die Spurensicherung übernehmen wir selbst. - Reden Sie keinen Scheiß, Mann. Wir haben unsere eigenen Spezialisten. Wenn sich hier irgendwer Eigenmächtigkeiten herausnimmt, darf der ab morgen wieder Strafmandate schreiben.»
Wie muss
Weitere Kostenlose Bücher