Karma-Attacke (German Edition)
sich jemand fühlen, fragte sich Wust, der ungestraft solche Drohungen aussprechen darf?
Als sie im Zimmer standen, ahnte Wust, dass er nie werden würde wie van Ecken. Er konnte nicht klar denken und rang damit, sein Essen bei sich zu behalten. Immer wieder musste er aufstoßen.
Die Staatsanwältin lehnte im Türrahmen. Sie stand schon fast fünf Minuten so. Sie atmete und schaute van Ecken zu. Manchmal, wenn er ihr einen Blick zuwarf, nickte sie. Vielleicht ist sie verknallt in ihn, dachte Wust. Jetzt kam er sich gegen van Ecken vor wie ein lächerlicher Hampelmann.
Die zwei von der Spurensicherung schwebten fast durch den Raum. Sie schienen genau zu wissen, wo sie suchen mussten. Nahmen hier eine Probe, pickten dort etwas auf.
«Wir brauchen noch eine Hundertschaft von der Trachtengruppe für die Ringfahndung. So viele Straßensperren wie möglich. Schwarzer BMW, Kennzeichen K-SCH-1.»
«Glauben Sie, das bringt was?», fragte Wust. «Er wird den Wagen längst gewechselt haben.» Wenigstens hatte er es geschafft, diesen Einwand zu formulieren, ohne sich zu übergeben.
Milde lächelnd schaute van Ecken ihn an. «Ich bitte Sie. Das ist doch Quatsch. Nur Theaterdonner für die Presse. Sonst werden sie uns vorwerfen, wir seien untätig gewesen. Je mehr Straßensperren sie sehen, je mehr Autos kontrolliert werden, umso besser sind wir. In deren Augen. Verbrecher fängt man anders. Wir organisieren hier nur ein bisschen Show drum herum.»
Er warf Wust sein Walkie-Talkie zu und richtete gleichzeitig sein Handy auf ihn wie eine Pistole. Er zeigte mit dem Finger auf Wust. «Na los, machen Sie weiter. Zeigen Sie denen, dass wir alles tun, um die Typen zu kriegen. Spielen Sie sich auf. Machen Sie Hektik. Das können Sie doch. Scheuchen Sie alles hoch, was es an Uniformen gibt. Jetzt heißt es Flagge zeigen.»
Dann drehte er sich zu Frau Dr.Benthin um. Wust fühlte sich aufs Abstellgleis geschoben. Gleichzeitig wusste er, dass er gar nicht in der Lage war, diese Anweisungen zu toppen.
Van Ecken drehte sich noch einmal zu ihm um. «Na los. Flughäfen. Bahnhöfe. Faxe mit den Fotos raus. Ziehen Sie das Netz enger!»
Wust nickte und schluckte. Wieder meldete sich sein Magen. Er brauchte dringend ein Glas Wasser, traute sich aber nicht, zur Spüle zu gehen.
«Also», sagte van Ecken zur Staatsanwältin Benthin, «das Gewehr zeigt nur die Fingerabdrücke von Dr.Schumann.»
Der Mensch von der Spurensicherung nickte, als sei diese Aussage eine Auszeichnung für ihn.
«Es ist entsichert und durchgeladen. Trotzdem hat es ihr nichts genutzt. Sie wusste, in welcher Gefahr sie sich befand, und hat versucht, sich mit der Waffe zu schützen. Er ist von hinten gekommen, hat ihr den Kopf abgetrennt und sie dann ausgeweidet. Ich glaube kaum, dass das Mädchen dazu in der Lage war. Es kann nur der Professor gewesen sein. Es gibt nur Fingerabdrücke von den dreien hier.»
So wie Staatsanwältin Benthin ihn ansah, glaubte van Ecken, dass sie ihm gern etwas ins Ohr flüstern wollte, sich aber nicht bewegen mochte. Er nahm ihr die paar Schritte ab. Sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht.
«Wissen Sie», flüsterte sie, «wie das alles auf mich wirkt?»
«Ja», nickte er. «Als seien hier Außerirdische gelandet. Als würde hier irgendein gottverdammtes Monster…»
Sie nickte. «Ja. Genau so. Kein Wunder, dass unser Kollege Ackers durchgedreht ist.»
Van Ecken räusperte sich. «Alle Monster, die ich im Laufe meiner Arbeit kennen gelernt habe, entpuppten sich als Menschen. Ziemlich erbärmliche Exemplare übrigens. Und was immer dieses hier vorhat: Es mordet immer in der Nähe von Vivien Schneider, verschont aber das Mädchen. Die Frage ist nur, wie lange noch.»
Ein Uniformierter reichte van Ecken einen Zettel herein. Er benahm sich dabei keineswegs wie der höchstrangige Dienstgrad vor Ort, sondern wie ein Oberkellner, der die Ehre hatte, heute im Königshaus bedienen zu dürfen, und deswegen die Nachspeise mit aufgesetzter Grandezza anreichte.
Van Ecken warf nur einen Blick auf den Zettel. Er hielt ihn der Staatsanwältin hin. Sie schaute gar nicht darauf, sondern sah van Ecken nur an.
Wust kam zurück. Er hatte all seine Karten ausgespielt. Er fühlte sich müde, zerschlagen und urlaubsreif. Er hoffte, nicht angesprochen zu werden. Erschöpft lauschte er den Ausführungen von van Ecken.
«Sie haben einen Jungen, der behauptet, er sei von Vivien in einer Telefonzelle zusammengeschlagen worden, und einen Vater, der sagt,
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