Karma-Attacke (German Edition)
sie habe sich als seine Tochter ausgegeben und er habe ihr deshalb das Essen bezahlen müssen. Zwei Riesenknackwürste. Doppelt Pommes. Doppelt Ketchup. Zum Nachtisch einen großen Becher Vanilleeis mit heißen Himbeeren. Dazu eine große Cola. Wollen wir die Leute sprechen?»
Staatsanwältin Benthin nickte.
Van Ecken zuckte mit den Schultern. Er wusste zwar nicht, was das bringen sollte, wollte sich aber ihrem Wunsch beugen.
«Nicht hier», sagte sie unnötigerweise, «und auch nicht auf dem Präsidium. Gibt es hier einen Gasthof?»
Van Ecken befeuchtete sich seine Lippen. Er konnte die Seeluft schmecken.
«Ja. Dort hat die Kleine doch den Familienvater abgezockt. Schauen wir uns die Örtlichkeiten mal an.»
Minuten später wussten sie, dass Vivien jetzt mit einem langen T-Shirt herumlief oder mit einem blau-weißkarierten Männeroberhemd, das vermutlich von Professor Ullrich stammte, sofern sie es nicht ebenfalls von einer Wäscheleine gestohlen hatte.
Van Ecken fasste für die Staatsanwältin zusammen: «Sie hat kein Geld. Sie hat keine Bleibe. Sie hat keinerlei Unterstützung. Sie ist auf sich allein gestellt. Vermutlich wird der Professor sie genauso suchen wie wir.»
Frau Dr.Marion Benthin schloss für einen Moment die Augen. Sie versuchte, sich in das Mädchen hineinzuversetzen. Welche Fünfzehnjährige verhielt sich schon so?
«Sie ist clever. Wie sie an ihr Essen gekommen ist, das hat sogar Witz. So benimmt sich keine Geistesgestörte.»
«Aber sie kann auch gewalttätig werden. Ich glaube diesem Jungen aus der Telefonzelle. Und den anderen am Ufer der Ichte hat sie auch schlimm zugerichtet.»
«Jagen wir sie eigentlich als Täterin oder als Zeugin?»
Van Ecken zuckte mit den Schultern. Da war er sich auch nicht mehr sicher.
«Bis vor kurzem», sagte die Staatsanwältin, «war sie für mich sogar noch das Opfer. Aber Sie haben etwas übersehen, van Ecken.»
Er wurde sofort rot. So etwas ließ er sich nicht gerne sagen. Er überspielte seine Unsicherheit mit einem Lächeln. «So? Was denn?»
«Sie hat da draußen jemanden, von dem sie sich Hilfe erhofft. Sie sucht Kontakt. Wir müssen herausfinden, wem der Anruf aus der Telefonzelle gegolten hat.»
Van Ecken nickte. «Ja. Sie wird jetzt jeden anrufen, der ihr irgendwie unter die Arme greifen kann.»
«Ich glaube», mischte Wust sich ein, «ich weiß, wen sie anrufen wollte.»
Van Ecken und die Staatsanwältin wendeten sich Wust zu. Jetzt endlich hatte er die volle Aufmerksamkeit. Trotz seiner Müdigkeit spielte er den Trumpf so groß aus, wie es nur ging.
«Ich habe den Burschen selber vernommen: Tom Götte. Er ist siebzehn Jahre alt. Sie ist wahrscheinlich verliebt in ihn. Ich hab ihn mir vorgeknöpft. Kein unbeschriebenes Blatt, zwei Motorraddiebstähle und ein paar geknackte Zigarettenautomaten. Wir vermuten, dass er mit seiner Bande für gut ein Dutzend Einbrüche verantwortlich ist, konnten ihm das aber bisher nicht nachweisen.»
Van Ecken zeigte mit dem Finger auf Wust. «Der Junge, der ihr den Schlüssel in die Klinik geschickt hat!»
Wust freute sich über die Zustimmung.
Da fuhr van Ecken ihn an: «Wollen Sie damit sagen, dass dieser kleine Knilch nicht Tag und Nacht überwacht wird?»
Die Energie dieses Satzes warf Wust einen halben Meter zurück. Er war sofort in Verteidigungsposition. «Sie haben uns den Fall doch abgenommen! Ich denke, wir haben keine Verantwortung mehr?»
«Was sind Sie nur für ein Schwachkopf!», schimpfte van Ecken kopfschüttelnd.
Wusts Hoffnungen, doch noch in eine Sonderkommission aufzusteigen, zerplatzten endgültig.
Staatsanwältin Benthin verzog die Mundwinkel. Die Schaukämpfe der beiden begannen sie zu langweilen. Natürlich war van Ecken der Kompetentere und er würde den Fall am Ende lösen. Doch dieser entscheidende Hinweis war jetzt von Wust gekommen. Sie wusste genau, dass van Ecken durch den Angriff auf Wust nur versuchte, seinen eigenen Fehler wettzumachen. Nur deshalb hatte er Wust weiterhin dabei. Er brauchte einen, der für die Fehler verantwortlich war. Wenn hier irgendetwas schief lief, sollte am Ende Wust dafür über die Klinge gehen. Auf keinen Fall van Ecken.
Wust tat ihr ein bisschen Leid, und trotzdem war es so, dass van Ecken für sie die Rache an Wust vollzog. Sie musste es nicht selber tun. Sie schaute einfach zu, wie er zappelte.
50
Professor Ullrich dirigierte Marga per Handy in Richtung Süden. Sie würden ihn und Vivien im Norden suchen. Er hatte ein Ziel, das
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