Karma-Attacke (German Edition)
Wunder. Haben Sie denen auch erzählt, dass Sie Xu sind?»
«Ja. Genau das habe ich getan.»
«Wer sagt mir, dass Sie mich nicht hereinlegen?»
«Stellen Sie mir Fragen. Testen Sie mich. Führen Sie mich zurück!»
«Haben Sie Ralf Rottmann ermordet?»
Ackers griff sich ans Herz. Es schlugt so heftig, dass er zum ersten Mal im Leben Angst hatte, sein Blut könnte allein durch die Kraft der Herzmuskulatur den Körper durch sämtliche Öffnungen verlassen. Der Druck in seinen Ohren stieg. Die Augäpfel traten hervor. Etwas versuchte sich aus seinem Körper durch die Nasenlöcher nach außen zu schieben. Sein Verstand konnte es nicht fassen, doch sein Körper schickte ihm die Botschaft. Das für den menschlichen Körper viel zu große Hillruc-Herz von Xu jagte das Blut mit unerträglichem Druck durch Ackers’ Adern.
Wieder schob er den Unterkiefer nach vorn. Nein, schrie sein Verstand, nein, das ist kein Hillruc-Herz. Körperlich verändere ich mich nicht. Mein Herz erinnert sich nur daran, wie es war, im Körper eines Hillruc zu schlagen. Es wird das nicht lange durchhalten. Ich werde hier einen Herzinfarkt kriegen, wenn ich nicht gleich …
Ein Stechen vom linken Arm über den Hals bis hin zu den Schläfen machte ihm Angst. Er verlangsamte das Tempo seines Wagens. Zwischen seinem A4 und dem gelben Polo waren jetzt nicht nur die zwei Fahrzeuge Sicherheitsabstand, die seiner Meinung nach ausreichten, um eine Krankenhausputzfrau hereinzulegen, er wurde jetzt auch noch von einem Eiswagen überholt und von einem Twingo mit gelbem Verdeck und blauen Kotflügeln.
Marga Vollmers hatte die Autobahn verlassen. Ackers fürchtete, sie an der nächsten Kreuzung zu verlieren. Die Straßen wurden eng und unübersichtlich. Er ging davon aus, dass sie sich ihrem Ziel näherte. Aber so, wie es aussah, würde er das gar nicht mehr erleben.
Der Professor hörte seinen schweren Atem. Es war das Hecheln der Hillrucs, wenn sie tödliche Gefahr witterten und ihren Körper mit Energie aufluden.
Dann plötzlich war es für Ackers vorbei. Die Ampel zeigte Rot. Er hatte Glück. Marga Vollmers kam auch nicht mehr rüber. Er konnte sie von hier aus gut sehen. Sie blinkte nicht. Erschöpft hielt er sich mit beiden Händen am Lenkrad fest, ließ die Stirn kurz darauf sinken und atmete aus. Der Druck ließ nach. Er hatte es überlebt.
Er ahnte, dass es eine zweite, vielleicht heftigere Attacke geben würde, und er hoffte, dann nicht mehr am Steuer seines Autos zu sitzen.
«Sind Sie noch da?», fragte Professor Ullrich.
Statt zu antworten, nickte Ackers. Er wusste natürlich, dass der Professor das nicht übers Handy mitbekam, aber noch fehlten ihm die Worte. Er versuchte, sich zu sammeln. Er schluckte trocken.
«Wie kommen Sie darauf», fragte er, «dass ich Ralf Rottmann umgebracht habe? Warum hätte ich das tun sollen, Professor?»
«Hillrucs tun so etwas», antwortete Professor Ullrich sachlich. «Es ist ihr Wesen.»
«Ja, aber warum…»
Ullrich unterbrach ihn. «Warum verfolgen Sie Vivien und mich? Wollen Sie uns töten, so wie Sie Rottmann getötet haben? Oder sind Sie nur der kleine Bulle, der einen Fahndungserfolg braucht? Warum atmen Sie so schwer?»
«Ich weiß nicht, ich dachte, mir springt das Herz raus. Ich …»
«Hatten Sie das Gefühl, Ihr Herz sei zu groß für Ihren kleinen Körper?»
«Ja.»
«Dass irgendetwas von innen heraus Sie sprengen will?»
«Ja.»
«Dass Ihr Verstand nicht mehr Herr der Situation ist?»
«Ja.»
«Dass etwas in Ihnen vorgeht, das Sie nicht kennen?»
«Ja.»
«Hatten Sie das Gefühl, es könnte Sie umbringen?»
«Ja.»
«Man nennt das eine Karma-Attacke.»
«Eine was?»
«Eine Karma-Attacke. Das hat man Ihnen auf Ihrer Polizeischule nicht beigebracht, was? Altes kommt hoch, unbewältigtes, unbearbeitetes Altes. Es sucht eine Lösung im Jetzt, weil Sie damals keine Lösung gefunden haben. Ich glaube Ihnen. Sie sind Xu.»
Ackers lehnte sich im Sitz zurück. Es war längst Grün. Die Fahrzeuge vor ihm waren losgefahren. Hinter ihm hupte ein wütender Lastwagenfahrer. Ackers wollte anfahren, würgte den Wagen aber ab und stand wieder.
«Bitte, Professor. Ich bin so durcheinander. Ich …»
«Lassen Sie den Wagen stehen. Sie könnten sich damit jetzt umbringen, mein Lieber. Hillrucs verstehen nichts von der Straßenverkehrsordnung; sie glauben, dass sie immer Vorfahrt haben.»
«Wie kann ich Sie finden, Professor?»
«Gar nicht. Niemand, der weiß, was Hillrucs anrichten
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