Karma-Attacke (German Edition)
Hotel Rebstock in Luzern. Hier hatte er sich nie unter seinem richtigen Namen eingetragen. Dort kannte man ihn als Klaus Schumann, den treuen, ruhigen Gast. Wenn er seinem Hobby in der Schlachterei am Rande der Stadt frönte, veränderte er vorher sein Aussehen gründlich. Er färbte seine Haare und ließ sich einen Bart wachsen.
Er war sooft an diesem Ort gewesen. Der Gedanke an das Hotel vermittelte ihm ein Gefühl von Sicherheit. Dort könnte er mit Vivien absteigen. Er würde sie als seine Tochter vorstellen.
Er wusste noch nicht, wie er es schaffen sollte, in die Schweiz zu kommen. Vielleicht auf dem Landweg mit einem Rucksack. Sie würden ihn überall suchen. Das war ihm klar. Ihn und Vivien.
Marga wollte Einzelheiten erfahren, aber er lobte nur ihre Treue und Einsatzbereitschaft und versprach, ihr später alles zu erklären.
«Sie sind mir keine Erklärungen schuldig», sagte sie.
Er wunderte sich darüber, dass sie ihn immer noch so respektvoll siezte. Für einen Augenblick wollte er ihr jetzt telefonisch das Du anbieten. Doch dann bedankte er sich nur knapp und beendete das Gespräch mit einem Druck auf den roten Knopf.
Gerade wollte er das Gerät ausschalten, da klingelte es. Er hatte eigentlich gar nicht vor, das Gespräch anzunehmen, doch er sah seinen Daumen den grünen Knopf mit dem Hörer drücken. Mit belegter Stimme meldete er sich. «Ja?»
Er erkannte seinen Gesprächspartner nicht gleich, doch die Stimme jagte ihm Angst ein. Für ein paar Sekunden verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug. Er vergaß völlig, dass er am Steuer eines Autos saß. Dann bremste er und fuhr auf den Seitenstreifen. Wie betäubt hörte er die zischelnden Töne.
«Hier spricht Xu. Der Hillruc-Fürst aus den Sümpfen.»
«Ackers? Herr Kommissar? Sind Sie das?»
«Ja, heute nenne ich mich so. Ich glaube, mein lieber Herr Professor, wir haben ein gemeinsames Problem.»
«Sind Sie wirklich Xu?»
«Ja. Bin ich.»
«Woher wissen Sie das?»
«Frau Zablonski hat mich zurückgeführt.»
Professor Ullrich musste lachen. «Ausgerechnet die Zablonski!»
Vivien versuchte, die Augen kurz zu öffnen. Schwer fielen ihre Lider wieder herunter. Der Professor hatte ihr eine hohe Dosis Beruhigungsmittel verpasst. Seitdem hing sie fast reglos im Sicherheitsgurt. Sie bekam mit, dass etwas Entscheidendes passierte, aber sie konnte die Bilder und Töne nicht einordnen. Alles verschwand in einem Nebel, der neue Eindrücke schluckte und alte Erinnerungen ausspie, wie ein Vulkan heiße Lava aus dem Inneren der Erde hochkatapultierte.
Sie saß wieder im Ata-Käfig und wusste, dass sie nur eine Chance hatte zu überleben: Josch. Josch, der die Sprache der Hillrucs verstand und doch wusste, wie Menschen fühlten. Sie hörte die Stimme von Professor Ullrich wie ein Echo von den Bergen. Aber sie wusste, dass es in den Schneebergen kein Echo gab. Die dicken Schneemassen schluckten alles. Hier konnte es so still sein, dass man sein eigenes Blut rauschen hörte, und der unbedachte Fußtritt eines Hillruc löste Lawinen aus.
«Sie sind also zum bekennenden Hillruc-Fürsten geworden, ja?» Der Professor lachte. «Mein lieber Herr Kommissar, gegen so etwas gibt es Medikamente. Wie Sie wissen, bin ich nicht mehr in der Klinik. Aber melden Sie sich ruhig dort. Es gibt da ein paar sehr kompetente Kollegen. Sie sind ein minder schwerer Fall. Sie können ambulant behandelt werden. Wenn Sie privat zahlen, braucht Ihre Dienststelle nicht mal davon zu erfahren.»
Ackers stöhnte, als wäre er von einer Kugel getroffen worden. Er sammelte seine Argumente. Er wollte sie ruhig vorbringen, doch sie kamen mit der Kraft der Empörung von einem, der sich absichtlich missverstanden fühlte.
«Was ist mit Ihnen, Professor? Sind Sie es noch? Haben Sie den Glauben an die eigene Theorie verloren? Ich bin der lebende Beweis. Ich bin Xu. Sie können mich zurückführen, sooft Sie wollen. Sie können alles aufschreiben und dokumentieren. Meinetwegen nehmen Sie es auf Video auf. Sie haben jetzt einen Mitstreiter!»
«Und wer sagt mir, dass Sie nicht mehr sind als ein besonders clever ausgelegter Köder? Sie wissen doch genauso wie Ihre verblödeten Kollegen, woran ich in all den Jahren gearbeitet habe. Und komisch, ausgerechnet jetzt, wo ich mich auf der Flucht befinde, bietet sich ein Polizeibeamter als Beweis für meine Theorien an. Würden Sie da nicht auch stutzig, mein Lieber?»
«Ich bin ausgestiegen. Nein, sie haben mich rausgeschmissen.»
«Kein
Weitere Kostenlose Bücher