Karma-Attacke (German Edition)
mir zu Hause habe und sie rastet aus, was dann?
«Sie wollen also meine fachliche Hilfe?»
«Ja.»
«Es gibt genügend Psychologen, die über die Krankenkasse abrechnen können. Ich kann das nicht. Das wissen Sie doch. Ich bin Reinkarnationstherapeutin.»
«Deswegen bin ja bei Ihnen. Ich will wissen, ob was dran ist an der Sache.»
«Sie schließen also nicht mehr aus, dass es frühere Leben gibt?»
«Frau Zablonski. Ich will meine Tochter zurück. Ob sie heroinsüchtig ist oder nur ein Scheißkarma hat, ist mir egal. Sie soll bekommen, was sie braucht, damit es ihr wieder besser geht und sie bei mir leben kann.»
«Wenn es Ihnen gelingt, sie zu sich nach Hause zu holen, werde ich sie mir anschauen.»
Er lehnte sich zurück. Er war nicht wirklich zufrieden und auch nicht entspannt, doch er spürte, dass er ein kleines Stück weitergekommen war.
Kopfschüttelnd fragte er: «Sie nehmen mir das von damals wirklich nicht übel?»
«Sie sind jetzt ein anderer. So etwas kann ich akzeptieren.»
Er lächelte erstaunt.
«Und der neue Mann», fuhr sie fort, «gefällt mir wesentlich besser als der andere. Nur diese rote Krawatte - die steht Ihnen überhaupt nicht.»
7
Hier unten am Fluss war Peter Ullrich kein Professor. Sobald er in den Thermo-Overall geschlüpft war und die Lackschuhe gegen Gummistiefel ausgetauscht hatte, war er nur der Jäger. Das lange finnische Fischmesser baumelte an seinem Gürtel. Damit hatte er schon so manchen Raubfisch aufgeschlitzt. Er saß ganz ruhig auf den Wurzeln einer Erle. Neben ihm lag der Käscher bereit und der Totschläger. Er hatte die Rute zwischen zwei Steinen festgeklemmt. Die Spitze stand steil hoch und zeigte auf den Mond. Oben ein Glöckchen als Bissanzeiger und ein grün phosphoreszierendes Knicklicht. Er fischte an diesem Abend nur mit einer Angel.
Er war hier, um einem Gefühl nachzuspüren. Wie sooft hatte Vivien ihn darauf gebracht - oder, genauer, Uta. Er war von den gleichen Erlebnissen geprägt worden wie sie, nur hatte sie die deutlicheren Erinnerungen.
Er hatte sich in viele frühere Leben zurückführen lassen. Nie waren ihm Congas begegnet. Doch jetzt, da er von ihnen wusste, verstand er seine Angst. Es war über vierzig Jahre her. Er war noch klein. Sein Vater hatte ihn, wie sooft, mit zum Fischen an den Fluss genommen. Sie saßen zusammengekauert unter einer Zeltplane. Immer wieder löschte der Dauerregen das Feuer, doch sie gaben nicht auf. Zwei Helden gegen die Naturgewalten, Vater und Sohn.
Sie unternahmen nicht viel zusammen, aber einmal pro Monat saßen sie nachts am Fluss und angelten. Selbst im Winter. Peter durfte bei jedem Biss den Anschlag setzen. Er durfte käschern, und - darauf war er besonders stolz - er durfte die Fische töten. Während Papa den zappelnden Körper festhielt, verpasste Peter dem Tier einen gezielten Schlag mit dem Knüppel zwischen die Augen. Dann schlitzte er es auf. Ja, er nahm die Fische selbst aus. Er legte die Hände aneinander wie andere Menschen zum Gebet und tauchte so mit ihnen ein in das Innenleben der Tiere, um es herauszureißen. Gern hielt er das noch pochende kleine Herz in der Hand. «Guck mal, Papa», rief er, «der Fisch ist schon tot, aber sein Herz schlägt noch!» Einmal - er erinnerte sich genau daran - leuchtete sein Vater auf das Herz einer Regenbogenforelle. Es war nicht größer als das Kaugummi in seinem Mund. Als der Lichtstrahl es traf, hopste es auf seiner Hand hin und her. Er verwendete die kleinen Herzen als Köder. Wenn sie noch zuckten, waren sie besonders fängig.
Für andere Kinder in seinem Alter war das «iiihh» und «bah». Sie ekelten sich und aßen stattdessen lieber sauber panierte Fischstäbchen oder Würstchen, denen man das Leben nicht mehr ansah. Er dagegen hätte die gefangenen Fische am liebsten sofort verspeist. Wie die Bären beim Lachsfang. Das ließ sein Vater natürlich nicht zu. Manchmal allerdings nahmen sie den Räucherofen mit an den Fluss. Dann aßen sie die Fänge heiß aus dem dampfenden Ofen.
Peter liebte diese Nächte mit seinem Vater mehr als alles andere auf der Welt, doch ihre gemeinsamen Abenteuer wurden abrupt beendet, durch den ersten Aal, den sie fingen. Es war ein Spitzkopf. Nicht sehr groß und mit grün schimmernder Haut. Peter durfte ihn aus dem Wasser ziehen. Als das schlangenähnliche Tier sich vor ihm auf dem Boden wand und sein Vater ihm «Petri Heil!» zurief, wurde Peter plötzlich von einer lähmenden Angst gepackt, die von innen kam und
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