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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Beutetier. Während der Hypnose wäre ihm das aufgefallen. Doch jetzt war seine Konzentration auf das Bild gerichtet, nicht auf Vivien.
    Ihre Hand mit dem Füller erhob sich. Sie brüllte, als würde Professor Ullrich versuchen, ihr mit einer glühenden Zange ein Stück aus dem Körper herauszureißen. Sie hatte plötzlich Bärenkräfte. Sie donnerte die linke Faust auf seine Hand.
    Ein scharfer Schmerz schoss in seinen Arm. Er ließ das Polaroidfoto fallen. Hatte sie seine Finger gebrochen? Ausgerechnet seine Finger! Zum ersten Mal wallte Hass in ihm auf.
    «Nein, nein, nein!», schrie Vivien plötzlich und begann, das Polaroidfoto aufzuessen.
    Professor Ullrich rang mit ihr. Ihre Kräfte ließen nach. Sie schluckte und würgte.
    Er versuchte, seine Finger zwischen ihre Lippen zu pressen, um ihr das Foto wieder zu entreißen, doch sie schlang es hinunter. Dann machte ein Hustenanfall dem Kampf ein Ende. Sie krümmte sich und spuckte Papierfetzen aus.
    Ullrich ließ sich schwer atmend auf Viviens Bett fallen. Er betrachtete die Finger seiner rechten Hand. Der Schmerz glühte noch bis hinauf in seine Haarspitzen und herunter in seine Fußnägel, als gäbe es direkte Verbindungslinien von den Fingern zu jeder einzelnen Zelle seines Körpers.
    Sie war jetzt nicht mehr Uta, sie war wieder Vivien. Sie wusste, dass sie sich in der Psychiatrie befand und er ihr behandelnder Professor war. Sie stand vollständig in der Realität, hatte aber noch Zugang zu dem alten Wissen, das sie auf Thara erworben hatte. Ihr Körper war in der Zivilisation angekommen, aber ihre Gefühle wurden noch von Uta beeinflusst. Uta, die Tschika, beherrscht von der Angst, gefressen zu werden. Uta, immer auf der Flucht.
    So war sie damals zu ihm gekommen. Panisch. Phobisch. Neurotisch.
    «Hast du in der Nacht die Klinik verlassen?»
    Ihre Antwort war ein quietschendes, glucksendes Lachen. Sie setzte sich auf den Boden wie ein Vogel, kurz bevor er losfliegt. Sie flatterte mit den Armen und hüpfte herum. In ihrem Mund bildete sich Speichel und tropfte heraus.
    Professor Ullrich legte seine geschundenen Finger auf die Bettdecke und fragte noch einmal: «Hast du einen Weg hier heraus gefunden? Warum hast du ein Handtuch über die Kamera gehängt?»
    Vivien spuckte beim Reden Speicheltröpfchen. Ihre Augen schienen von innen heraus unter Druck zu stehen. Die Augäpfel traten heraus. Sie zeigte auf die Videokamera und flüsterte verschwörerisch: «Toi ist hier. Er kann mich sehen.»
    Professor Ullrich schüttelte den Kopf. «O nein. Nur ich kann dich sehen. Die Kamera ist nur da, um dich zu schützen. Ich kann dir helfen, wenn du deine Anfälle kriegst. Du weißt das genau.»
    «Nein. Toi ist hier.»
    Professor Ullrich rutschte vom Bett herunter und begab sich auf eine Ebene mit ihr. Er wollte ihr gerade in die Augen sehen, auch wenn er sich dazu auf den Boden hocken musste.
    «Toi ist ein Hillruc von Thara. Er ist seit Jahrtausenden tot. Er kann nicht durch diese Videoanlage sehen.»
    Sie spuckte beim Lachen Speichel aus. Bläschen davon blieben in seinem Gesicht kleben. Er wischte sie nicht weg.
    «Ich bin doch auch hier», sagte sie.
    Es klang, als könne niemand dieses Argument entkräften. Er versuchte es trotzdem. «Das alles ist in einem früheren Leben geschehen. Es ist nur eine Erinnerung.»
    Vivien flatterte hoch auf ihr Bett. Von dort reckte sie den Hals vor und schaute auf Professor Ullrich herab. «Und wer», fragte sie, «hat dann meine Mama umgebracht und diesen Arzt?»

    Kommissar Ackers ging zu Professor Ullrichs Büro zurück. Er hatte die Fotos der toten Henrike Schneider auf dem Schreibtisch liegen lassen, neben den aufgeplatzten Tonembryos. Das Büro war leer. Ackers setzte sich einen Moment in den Schreibtischsessel des Professors, drehte ihn einmal herum und genoss den Moment der Ruhe. Er wusste nicht warum, doch plötzlich nahm er die Fernbedienung vom Schreibtisch und schaltete den Monitor ein. Er sah direkt in Viviens Zimmer. Kein Handtuch versperrte ihm die Sicht.
    Der Ton war zu laut, unangenehm laut. Was er sah und hörte, ließ ihn zunächst an seinem Verstand zweifeln. Dann an dem von Professor Ullrich.

18
    Jetzt, da alles so monströs wurde, konnte Schwester Inge erst recht nichts mehr sagen. Heute Morgen hatte sie ihren Schlüssel nicht gefunden. Das war ihr noch nie passiert in all den Jahren. Sie nahm es als Zeichen für ihre Überlastung. Der Stress zu Hause, die Angst um den Arbeitsplatz, der ständige Kampf mit

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