Karma-Attacke (German Edition)
noch einmal austesten. Unmerklich brachte er einigen Abstand zwischen Professor Ullrich und sich.
«Wissen Sie, was wir glauben?»
Professor Ullrich wusste es, aber er schüttelte den Kopf.
«Wir glauben, dass Vivien Schneiders Mutter und Ralf Rottmann von ein und derselben kranken Person umgebracht worden sind.»
Der fragende Blick des Professors forderte zu weiteren Erklärungen heraus. Es wäre den Polizisten lieber gewesen, er hätte nun seine eigenen Schlussfolgerungen gezogen.
«Wissen Sie», fragte Professor, nun einen verständnisvollen Ton anschlagend, «warum Sie Probleme haben, Ihren Verdacht klar auszusprechen?»
Ackers’ Gesicht versteinerte. Auf keinen Fall wollte er jetzt eine Gefühlsregung zeigen, denn er befürchtete, mit irgendwelchen Psychologentricks analysiert zu werden. Wust fiel schon darauf herein. Er schüttelte den Kopf.
Professor Ullrich zögerte die Antwort auf seine Frage noch ein bisschen hinaus. Er wusste, dass die beiden begierig waren, sie zu hören. Schließlich sagte er mit sanfter Milde, so als böte er ihnen zur Stärkung eine kleine Mahlzeit an: «Weil Sie selbst nicht wirklich daran glauben können.» Er tippte sich gegen die Stirn. «Mensch, denken Sie doch mal nach! Als ihre Mutter auf so schreckliche Art ums Leben kam, war Vivien elf Jahre alt! Können Sie sich vorstellen, dass ein elfjähriges Kind so etwas anrichtet?»
Die Männer schwiegen eine Weile, dann räusperte Ackers sich und zählte an den Fingern auf, was sie an Fakten hatten, so als müsse er sich vergewissern, was real war. «Sie müssen doch zugeben», sagte er, «dass es äußerst merkwürdig ist. Zweimal werden in der nächsten Umgebung des Mädchens grausame Morde begangen.»
«Ich gebe gar nichts zu», fauchte Professor Ullrich. «Ich bin nämlich nicht angeklagt! Die Art und Weise, wie Sie versuchen, an Erkenntnisse zu kommen, mein Lieber, ist mittelalterlich. Überlegen Sie mal, was Sie da gerade gesagt haben.»
Ackers und Wust sahen einander irritiert an.
Professor Ullrich begann auf und ab zu gehen. Er dozierte. So bekam er Oberwasser. Der Herr Professor sprach zu seinen Studenten.
«Was glauben Sie», fragte er, «wie oft es in der letzten Zeit überall dort, wo ich aufgetaucht bin, geregnet hat? Nun könnte man daraus folgern, dass ich ein Regenmacher bin. Doch ich sage Ihnen, ich mache den Regen nicht; er wäre auch gefallen, wenn ich nicht vor Ort gewesen wäre. Stimmen Sie da mit mir überein?»
Ackers spürte Wut in sich auflodern. So wollte er nicht mit sich reden lassen. «Dies ist kein Seminar, mein lieber Herr Professor.»
«Warum benehmen Sie sich dann wie Erstsemester?», konterte Ullrich. «Als Viviens Mutter getötet wurde, war Vivien, darin stimmen wir doch hoffentlich überein, körperlich gar nicht in der Lage, so eine Tat zu begehen. Ein schmächtiges, elfjähriges Mädchen! Sie hatte weder die Kraft noch das Werkzeug. Ich würde auch bezweifeln, dass sie heute dazu in der Lage wäre. Meine Güte, Sie haben sie doch gesehen. - Und an dem letzten Mord ist sie garantiert unschuldig. Sie befand sich in der geschlossenen Abteilung der Klinik, die Leiche lag draußen. Können Sie sich vorstellen, was ein normal intelligenter Anwalt mit Ihnen macht, wenn Sie eine solche Anklage erheben?»
Wust hätte dem Professor am liebsten eine reingehauen, doch er lächelte nur verlegen und machte unwillkürlich eine Art Unterwerfungsgeste. Professor Ullrich verstand seine Körpersprache ohne die geringste Anstrengung.
Ackers versuchte Boden gutzumachen: «Geschlossene Abteilung, soso! Können Sie beweisen, dass sie hier war? Mir kommt vieles an dieser Klinik sehr merkwürdig vor. Draußen wird jemandem der Kopf abgerissen, der Mann wird ausgeweidet wie ein Stück Wild, hier drinnen will aber niemand etwas gehört haben. Die Nachtwache nicht, die Patienten nicht. Sie», er zeigte auf den Professor, «Sie kommen nachts in die Klinik zurück und tapern an der Leiche vorbei. Niemand merkt hier irgendetwas. Dabei hätte doch jeder im Umkreis von einigen hundert Metern die Todesschreie hören müssen.»
Professor Ullrich schaute ihn an wie einen Studenten, der sich vergaloppiert hat. Trotzdem nickte er. «Ja. Es sei denn, hier tötet jemand wie eine Raubkatze.»
«Wie töten denn Raubkatzen?», fragte Wust spontan und hörte sich an wie ein kleiner Junge.
«Lautlos», behauptete Professor Ullrich.
Ackers hatte zwar keine Ahnung, ob das stimmte, fand aber trotzdem, dass es ein gutes
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