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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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nur, dass Sie diesen Blödsinn wirklich selbst glauben.»
    «Wenn unser Körper stirbt, dann treten wir nicht vor irgendein hohes Gericht, das entscheidet, ob wir in den Himmel kommen oder in die Hölle. Von dieser kindlichen Vorstellung müssen Sie sich verabschieden. Wir werden einfach in einem neuen Körper wiedergeboren. Es ist ein Kreislauf, wie alles auf der Erde ein Kreislauf ist. Die Nacht gebiert den Tag. Alles ist den Gesetzen der Periodizität unterworfen. Machen Sie doch die Augen auf!»
    «Ist das irgendein Sektenkram?»
    Der Professor schüttelte den Kopf. «Nein, das ist es nicht. Bitte stellen Sie sich doch einmal vor: Vivien hat gelebt wie wir alle, unwissend, dass es ein früheres Leben gegeben hat. Ich habe viele Menschen zurückgeführt. Es gibt sehr genaue Erinnerungen. Vieles kann man historisch nachvollziehen. Ich habe eine Frau unter Hypnose in ihr früheres Leben begleitet. Sie fing plötzlich an, einen südschwedischen Dialekt zu sprechen. Und glauben Sie mir, es ist eine sehr einfache Frau gewesen. Sie war nie in ihrem Leben in Schweden, und sie kann auch keine Fremdsprache. Sie …»
    Ackers hob beide Hände hoch, als müsste er sich gegen diese Argumentationen wehren. «Jaja, ich kenne diese Geschichten. Und was hat das nun alles mit Vivien Schneider zu tun?»
    Der Professor schluckte, um sich zu beruhigen. Er machte jetzt tatsächlich den Versuch, Ackers zu überzeugen. Ackers spürte es. Da war viel Abwehr in ihm, aber auch ein kleines Fünkchen Bereitschaft, anzunehmen, was Ullrich erzählte. Wäre er sonst hierher gekommen, nach Dienstschluss, ohne Wust?
    Professor Ullrich ging jetzt auf und ab. Das Handtuch öffnete sich. Er war fast nackt, schien es aber gar nicht zu bemerken. Er war viel zu konzentriert auf seine Argumentation.
    «Als ihre Mutter auf diese schreckliche Art und Weise ums Leben kam, wurde Vivien an ihr früheres Leben erinnert. Sie hat es nicht auf dieser Welt verbracht, sondern an einem Ort, den sie Thara nennt. In einer Art Urzeit. Vielleicht vergleichbar mit der Steinzeit bei uns. Wäre ihre Mutter nicht so furchtbar gestorben, hätte Vivien ein ganz normales Leben führen können. Doch der Anblick des zerfleischten Körpers hat die Erinnerungen in ihr wachgerufen. Seitdem wird sie davon überflutet. Man hat sie mit Psychopharmaka behandelt, man hat versucht sie ruhig zu stellen. Aber was sie umtreibt, sind keine Wahnvorstellungen. Es sind Erinnerungen. Ich gehe mit ihr zurück, ganz vorsichtig, und schaue mir mit ihr zusammen das Leben auf Thara an. So lange, bis es seinen Schrecken für sie verloren hat. So lange, bis sie genau unterscheiden kann, was damals war und was heute ist.»
    Ackers fragte: «Warum sind Sie sich so sicher, dass Ihre Lieblingspatientin nicht einfach schizophren ist?»
    Jetzt war Professor Ullrich wieder ganz in seinem Metier, auf dem sachlichen Boden der Wissenschaft. «Schizoide Patienten erkennt man sofort. Sie atmen nur im oberen Teil des Brustkorbs.» Er schlug sich auf die Brust, um es zu verdeutlichen. «Ihr Zwerchfell ist wie eingefroren.» Er zeigte auf seine unteren Rippen. «Die Rippen stehen heraus. Man kann es leicht beobachten. Beim Einatmen ziehen sie den Bauch ein, beim Ausatmen wölben sie ihn vor. So etwas macht Vivien nicht. Achten Sie darauf, wenn Sie uns mal wieder in der Klinik besuchen. Alle schizoiden Charaktere haben steife Fußgelenke. Sie gehen wie auf Stöcken. Vivien dagegen ist extrem gelenkig. Wenn ich schizoide Personen berühre, kann ich fühlen, dass sich ihre Muskeln in der Tiefe verkrampft haben.»
    Ackers hatte mal einen Kurs in Psychologie besucht. Er wusste etwas über Täterstrukturen, über Archetypen, Ich und Über-Ich. Viel war es nicht. Er fragte sich, ob Professor Ullrich ein weiser Mann war, der mehr wusste als alle anderen Menschen, die er bisher kennen gelernt hatte, oder einfach nur ein Verrückter. Ackers wusste nicht, ob die gerade verbreiteten Ansichten über schizophrene Persönlichkeiten einer abgesicherten wissenschaftlichen Meinung entsprachen oder ähnlich umstritten waren wie Professor Ullrichs Überlegungen zur Wiedergeburt.
    «Können Sie auch was fühlen, wenn Sie mich berühren?», fragte er und hielt seine Hand hin.
    Fast ein wenig zu grob packte Professor Ullrich ihn an, quetschte die Hand, zog die Finger auseinander und drückte in die Mitte der Handwurzel. «O ja. Eine Sehnsucht. Eine tiefe, ungestillte Sehnsucht spüre ich bei Ihnen. Und eine irrsinnige Wut, die Sie nur

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