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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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diese Tasse festzuhalten, so war Peter Ullrich ihr entglitten. Er würde es ohne sie nicht schaffen. Er befand sich bereits im freien Fall. Er würde an der harten Wirklichkeit zerbrechen.
    Schlimmer noch war das Gefühl, dass eine andere ihn unter ihre Fittiche nehmen würde. Er war genau der Typ Mann, der nicht ohne eine Frau auskam. Er brauchte eine, die die lebenspraktischen Dinge für ihn organisierte. Den Alltag. Eine, die ihn schützte. Er würde so eine finden, das war ihr klar. Sie würden Schlange stehen. Er war ein Nehmer. Er nahm von einer Frau, was er kriegen konnte, benutzte sie, setzte sie für seine Ziele ein, und er sagte nicht mal Danke. Er war mit ihrem Auto losgefahren. In ihr Ferienhaus. Sie durfte die Drecksarbeit erledigen. In ihrem Keller waren die Akten und Videofilme versteckt. Wenn man seine Wohnung durchsuchte, würde man dort nichts finden.
    Immer noch stand sie vor der zerbrochenen Tasse. Nur mühsam konnte sie ihren Blick davon lösen. Sie schaute zu dem Fleck auf dem Teppich. Aalblut. Das hatte er hinterlassen. Nie wäre er auf die Idee gekommen, den Fleck zu beseitigen. Vielleicht hatte er ihn längst vergessen. Vielleicht glaubte er auch in seinem Wahn, dass sie diesen Fleck in Ehren halten würde wie ein heiliges Relikt. Im Grunde war es ja wirklich so. Mal ärgerte sie sich darüber, mal war sie glücklich über diesen Fleck. Er war so sehr von ihm, ein Teil seines Wesens. Daraus sprach seine Verachtung, die er für all diese Dinge hatte. Wohnungseinrichtungen. Teppiche. Lebensversicherungen. Autos. Das Materielle schien ihn nicht zu interessieren, und doch schöpfte er immer aus dem Vollen.
    Sie spürte unbändige Wut auf ihn, doch noch viel größer war die Sehnsucht. Er war nicht nur ein Nehmer, er hatte ihr auch etwas gegeben. Lust. Eine Lust, wie sie sie nie zuvor im Leben erfahren hatte. Bevor sie ihn kennen lernte, hatte sie keine Ahnung, dass es so etwas überhaupt gab. Manchmal schämte sie sich für die Ekstase, die sie mit ihm erlebt hatte. Und doch wusste sie, dass kein Preis zu hoch war, umso etwas noch einmal zu erleben. Peter Ullrich war nicht austauschbar. Wenn er sie berührte, mit seinen magischen Fingern massierte, spürte sie einen Kick, der sie an den Rand des Wahnsinns brachte.
    Jetzt wusste sie, dass ihr alles andere egal war. Sie wollte nicht mehr zurückgehen in die Klinik. Sie wollte nicht länger mit Katrin Reb kämpfen. Sie würde ihre Stellung räumen. Diese Wohnung war ihr egal. Es erschien ihr völlig lächerlich, weiterhin zur Arbeit zu gehen, Geld zu verdienen, in diesem Haus zu schlafen, Essen zu kochen und Wäsche zu waschen. Warum? Sie war gesund. Sie hatte bestimmt noch dreißig, vielleicht vierzig Jahre vor sich. In diesem Moment war sie bereit, all diese Jahre einzutauschen für eine Woche mit ihm.
    Sie sah Katrin Reb wieder beim Franzosen vor sich sitzen. Mit welch merkwürdigem Blick sie gefragt hatte: «Meinen Sie besessen im Sinne eines Missbrauchs?»
    Missbrauch … Das Wort bohrte in Sabrina Schumann. Ging es bei Vivien Schneider wirklich nur um eine wissenschaftliche Arbeit? Wollte er beweisen, dass es ein Leben auf einem anderen Planeten gab? War das seine ganze Besessenheit? Oder war da mehr? War etwas Sexuelles gelaufen zwischen ihm und dem Mädchen? Durfte sie deshalb kein anderer behandeln? Hatte er Angst, dass etwas herauskam?
    Sie spürte, dass sie sich auflehnte gegen diesen Gedanken, doch es gab auch eine Stimme in ihr, die ihm das zutraute. Er hielt sich nicht an Regeln. Ob die Gesellschaft solche Beziehungen in Ordnung fand oder nicht, war ihm völlig egal. Wenn er sie wollte, dann würde er sie sich nehmen. Wahrscheinlich, dachte sie, hat er es längst getan. Deshalb hatte Vivien so viele Privilegien gehabt, dass man sie schon heimlich die Königin der geschlossenen Abteilung nannte.
    Endlich schaffte es Sabrina Schumann, sich zu bewegen. Mit wenigen Schritten war sie bei ihrem Telefon. Sie wollte die Nummer des Ferienhauses wählen. Peter Ullrich hatte es ihr verboten. Kein Kontakt. «Vielleicht hört man dein Telefon ab und dann … Warte, bis ich mich melde.»
    Tränen schossen ihr in die Augen. Sie weinte darüber, wie verstrickt sie bereits in diese Sache war, die sie nicht begreifen konnte. Warum sollte man ihr Telefon abhören? Das Ganze wurde ihr viel zu groß. Er war mit einer Patientin verreist. Geflohen. Richard Schneider und sein Anwalt, Jochen Prinz-Brandenburger, nannten es Entführung. So wie die Polizisten

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