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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Bilder, die mir Angst machten, trotzdem für Wahnvorstellungen oder mindestens Fantasiegebilde. Ich habe diese Menschen sehr beneidet. Ihre Inkarnationen waren auf der Erde und immer irgendwie überprüfbar. Sie konnten historische Fakten herausfinden. Ein historisches Werkzeug, das man wirklich benutzt hat. Namen in Kirchenbüchern. Sie konnten in Landschaften fahren und sie sich ansehen. Ich konnte das nicht. Und erst als ich dich traf, Vivien, da wusste ich …»
    «Dass du nicht wahnsinnig bist.»
    «Ja.»
    «Deshalb hast du alles über mich gesammelt? Jedes Fitzelchen Papier? Darum sollte ich meinen großen Thara-Roman schreiben? Damit du mehr über dich selbst erfährst?»
    «Ja», gestand er. Er erwartete, für seine Ehrlichkeit Vertrauen zu bekommen. Bis zu diesem Moment war es auch so gewesen. Doch jetzt schien der Körper in seinen Armen zu gefrieren. Sie suchte wieder Abstand.
    «Es ging die ganze Zeit gar nicht um mich, stimmt’s? Es ging um dich.»
    Er nickte. Sie kaute auf der Unterlippe herum. Tränen traten in ihre Augen.
    Er wollte sein Nicken sofort wieder rückgängig machen und sagte diplomatisch: «Es geht um uns, Vivien. Um uns beide.»
    Doch Vivien wusste, dass es nur der Versuch war, die Wahrheit zu beschönigen. Sie war nie gemeint gewesen. Immer nur Mittel zum Zweck.
    Sie rannte ins Meer. Sie warf sich in die Wellen und schwamm zum Horizont.
    «Vivien!», rief er hinter ihr her. «Vivien! Lass das! Du schwimmst zu weit raus! Vivien!»
    Er wartete noch einen Moment. Als er ihren Kopf zwischen den Wellen nicht mehr sah, stürzte er sich selbst ins Wasser, um sie zurückzuholen.
    Immer wieder ließ er sich von einer Welle hochtragen. Er rief nach Vivien, er schaute sich nach ihr um. Er hatte sie verloren.
    Nicht so, dachte er. Nicht so sinnlos. Soll hier alles enden?
    Der Professor wusste nicht, wie gut sie schwimmen konnte. Er befürchtete, sie könnte ertrinken.
    Wenige hundert Meter entfernt sah er ein Segelboot. Es näherte sich. Er hätte um Hilfe rufen können. Er hätte zum Strand zurückschwimmen und die Küstenwache alarmieren können. Doch das alles erschien ihm sinnlos. Vielleicht war sie längst dort hinten bei den Klippen an Land gegangen. Vielleicht saß sie unter einem Bootssteg und lachte über ihn. Vielleicht kämpfte sie aber auch gerade unter Wasser um ihr Leben.
    Ullrich schwamm mit langen, ruhigen Zügen zum Ufer zurück. Eine Welle schlug über seinen Kopf. Er schluckte Salzwasser und würgte. Jetzt nur keine Panik, dachte er. Sie wird zu dir zurückkommen. Was soll sie sonst machen? Sie versucht nur, ihre Macht auszuspielen, wie sie es in der Klinik getan hat. Immer und immer wieder. Du musst die kleine Göre in ihre Schranken verweisen. Es war nicht gut, ihr so viel zu erzählen. Es war unprofessionell.
    Dann, er hatte längst aufgegeben und befand sich bereits auf dem Rückweg, sah er sie. Sie saß in den Dünen zwischen angeschwemmtem Strandgut. Sie spielte mit einer Baumwurzel, an der Teer klebte. Sie bemerkte ihn nicht, als er neben ihr stand. Sie war ganz woanders. Eine merkwürdige Trauer hatte sie ergriffen. Das Gefühl, allein auf der Welt zu sein. Niemanden zu haben, dem sie wirklich vertrauen konnte. Auch ihm nicht mehr.
    Die Wurzel war schwer. Sie hatte nicht lange im Meer gelegen. Trotzdem klebten Muscheln daran. Vivien wog das Holzstück in der Hand. Seine Form erinnerte sie an eine Streitaxt, wie die Hillrucs sie auf Thara benutzten.
    Als Ullrich sich zu ihr herunterbeugte und ihre Schulter berührte, schrie sie, als würde er ihr Schmerz zufügen. Sie schlug ihm die Wurzel ins Gesicht. Er verlor augenblicklich das Bewusstsein.
    Dann rannte sie, so schnell sie nur konnte.

41
    Vivien stand vor dem Lokal. Sie hatte einen Mordshunger. Auf der Tafel las sie: Schollenfilet mit Salzkartoffeln, elf Euro fünfzig. Der Preis interessierte Vivien nicht. Sie hatte ohnehin kein Geld, um zu bezahlen. Sie fragte sich, wie sie hineinkommen könnte. Ihr war kalt. Sie hatte nur ihre Unterwäsche an, die inzwischen wieder getrocknet war. Die BH-Bügel juckten, die Haut darunter war rot. Sie kratzte sich ständig. Salz und Sand reizten die Haut. Es machte ihr nichts aus, so am Strand spazieren zu gehen. Aber eine Gaststätte war ein anderer Ort. Sie hatte Angst vor betrunkenen Männern mit Bierbäuchen, die nach Rasierwasser rochen und Schnaps. Sie drückte die Knie gegeneinander und rieb die linke Wade fest an der rechten. Ihre Füße waren eiskalt und sie hatte das

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