Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
Fragen. Viele Fragen.
    Wust glaubte, in ihrem Ton immer noch Wut über seinen Annäherungsversuch zu spüren. Vielleicht, dachte er, ist es aber auch die Wut auf sich selbst, weil sie abgelehnt hat. Vielleicht bereut sie es schon. Er stellte sich vor, wie sie unter seinen schnellen Stößen dankbar kam. Er hörte ihr nicht wirklich zu. Er glaubte, dass es die Aufgabe von Ackers war, ihre Fragen zu beantworten. Aber Ackers war jetzt nicht da.
    Ein feingliedriger junger Mann betrat den Raum. Er trug einen Anzug, der wie maßgeschneidert wirkte. Er war voll durchgestylt. Das Blau des Hemdes eine Idee dunkler als das Jackett. Die Krawatte schon fast tiefblau, darin ein paar Punkte, scheinbar zufällig über den Stoff verteilt, sodass kein durchgängiges Muster erkennbar war. Seine Schuhe waren sicher teurer als das letzte Auto, das Wust zu Schrott gefahren hatte.
    Wust tippte sofort darauf, dass der ein Verhältnis mit der Staatsanwältin hatte. Wahrscheinlich hatte sie auch die Klamotten ausgesucht und für ihn gekauft. Oder er war schwul.
    Zwischen den beiden Möglichkeiten hatte Wust sich noch nicht entschieden, als er ihre scharfen Worte hörte: «Haben Sie mich überhaupt verstanden?»
    Wust nickte. Trotzdem wiederholte sie vorsichtshalber ihren Satz. «Sie geben die Ermittlungen mit sofortiger Wirkung ab. Wir setzen eine Sonderfahndungsgruppe ein. Sie übergeben sämtliches Material Herrn van Ecken.»
    Sie zeigte auf den hellblau geschniegelten Typen. Der kniff die Lippen zusammen.
    «Hey, Moment mal», hakte Wust nach. «Heißt das, wir sind aus der Sache raus?»
    Sie schüttelte den Kopf, van Ecken nickte. Was er sagt, interessiert mich sowieso nicht, dachte Wust.
    Natürlich bekam van Ecken es mit, dass Wust ihn nicht leiden konnte. Umso mehr genoss van Ecken es, dass Wust nun mit unterwürfigem Lächeln nachfragte, ob er sich denn der Sonderkommission anschließen könne. Zu gern würde er sein bisher erworbenes Fachwissen zur Verfügung stellen.
    Wust erwartete aus van Eckens Mund einen Satz wie: «Diese Sache ist ein paar Nummern zu groß für Sie, das müssen Sie doch einsehen.» Vielleicht würde er auch einfach nur den Kopf schütteln. Doch der Tiefschlag kam nicht. Van Ecken schaute zur leitenden Staatsanwältin und sagte diplomatisch: «Es hat sich stets als sinnvoll erwiesen, die örtlichen Polizeikräfte mit einzubeziehen.»
    Sie zuckte mit den Schultern und deutete damit an, dass es ihr anders lieber gewesen wäre, aber sie war einverstanden. Missmutig blickte sie in die Akten. Die Männer waren entlassen.
    Wust erwartete, noch im Türrahmen zurückgerufen zu werden. Es gab noch ein paar peinliche Fragen, die sie ihm nicht gestellt hatte. Aber nichts geschah. Sie ließ ihn einfach gehen.
    Neben Harald van Ecken ging Wust durch den langen Flur auf den Fahrstuhl zu. Beim Getränkeautomaten stoppte van Ecken und baute sich vor Wust auf. Jetzt wirkte er gar nicht mehr so schmächtig, sondern durchtrainiert. Unter diesem Anzug steckte etwas von Professor Ullrich. Er war drahtig und unwahrscheinlich zäh. Wust hatte keine Lust, sich mit ihm anzulegen. Wahrscheinlich machte van Ecken seit seinem vierzehnten Geburtstag irgendwelche fernöstlichen Kampfsportarten.
    «Machen wir uns nichts vor», sagte van Ecken. «Ihr habt euch benommen wie die letzten Deppen. Das Mädchen ist weg. Der Professor ist weg. Wir können froh sein, dass ihr die Leiche noch habt.»
    Wust schluckte.
    Plötzlich wurde van Ecken klar, was er da gesagt hatte. «Ihr habt die Leiche doch noch, oder nicht?», fauchte er.
    Wust grinste zynisch. «Ich denke schon.»
    «Was heißt das, ‹Sie denken›?»
    «Nun, ich habe sie nicht bei mir zu Hause im Gefrierschrank. Wir könnten in der Pathologie anrufen und …»
    Zwischen den beiden Männern fand auf scheinbar scherzhafter Ebene ein Machtkampf statt. Und Wust hatte ihn sowieso schon verloren, bevor er richtig begonnen hatte. Wust hatte Ackers noch nie besonders gut leiden können, doch er sehnte sich schon nach seinem alten Chef zurück, noch ehe er seinen neuen wirklich kennen gelernt hatte.

39
    Frau Dr.Sabrina Schumann sah die Tasse wie in Zeitlupe herunterfallen. Sie zerschellte auf dem Boden. Die aufgeschäumte Milch klebte in kleinen Wolken an den Scherben. Sabrina Schumann bewegte sich nicht. Sie stand nur da. In ihr wuchs das Gefühl, dass sie jetzt nicht vor einer zerbrochenen Tasse stand, sondern vor den Trümmern ihrer eigenen Existenz. So wie sie es nicht geschafft hatte,

Weitere Kostenlose Bücher