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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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meiner Mutter, und ich kletterte Sprosse für Sprosse nach oben, bis zu jener dunklen, verheißungsvollen Öffnung.
    Plötzlich spürte ich, wie ich wieder ganz ruhig wurde. Ich war mir zwar immer noch nicht sicher, was Karsh sich gewünscht hatte, als er seine Geburtstagskerzen ausblies – doch meine Antwort war Ja.
    Noch bevor ich ganz oben war, streckte sich mir eine Hand entgegen, um mir zu helfen. Ich machte den letzten Schritt und endlich stand er mir in Nehru-Jacke und Jeans gegenüber. Es war sein großer Auftritt heute Nacht und er hatte ihn sich mehr als verdient.
    Aber es war auch Gwyns Verdienst, dass diese Nacht überhaupt zustande gekommen war, und Karshs Anblick erinnerte mich nun daran. Eine ganze Flut von Tränen stieg in mir auf; Tränen für alles, was sie hatte durchmachen müssen, mit mir oder ohne mich, und Tränen dafür, dass sich der Sommer seinem Ende zuneigte. Gleichzeitig waren das Tränen vor lauter Glück – ein Glücksgefühl, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte.
    Er sah mich an, schüchtern, zögerlich. Ja, er sah richtig besorgt aus, und zwar höchstwahrscheinlich meinetwegen, denn mittlerweile strömten mir die Tränen nur so über die Wangen.
    »Hast du nicht was vergessen?«, sagte ich schluchzend und reichte ihm seine an den Schnürsenkeln zusammengebundenen Schuhe.
    »Ja, ich glaub schon.«
    Er sah gar nicht mal so überrascht aus, als er sie entgegennahm und auf den Boden stellte.
    »Na ja, ähm, ich auch«, sagte ich.
    »Ja?«
    Ich schlang meine Arme um ihn, roch Schweiß und Zimt, streichelte mit den Händen seinen Nacken und legte meine Lippen an sein linkes Ohrläppchen.
    »Das hab ich vergessen«, flüsterte ich.
    Er umarmte mich jetzt auch und ich hätte für immer so stehen bleiben können. Selbst als er mich ein Stück ins Innere des Raumes zog, hielt er mich ganz fest. Shailly war auch noch da; sie ließ den Blick wie ein Tarotspieler übers Mischpult wandern. Wir stiegen über zahllose Kabelknäuel und Taschenberge hinweg und stellten uns auf die andere Seite in eine dunkle Ecke. Karsh richtete mein Kinn auf und wischte mit dem Daumen die Tränen von meinen Wangen. Dann sah er mich mit ernster Miene an.
    »Also, wenn ich raten darf, warum du weinst, hätte ich zwei Vermutungen. Die erste – vielleicht ein bisschen egozentrisch von mir – wäre, dass du nicht weißt, wie du mir verklickern sollst, dass du mich immer noch für ein gesunkenes Schiff hältst, und das bereitet dir ziemlichen Stress, weil du es nicht gewohnt bist, mit solchen unschönen Situationen umzugehen.«
    »Du warst nie ein gesunkenes Schiff«, sagte ich und nahm seine beiden Daumen in meine Hände. »Ich hab nie … das war einfach völlig aus dem Zusammenhang. Es tut mir so Leid.«
    »Schon okay … ich hab's mir gar nicht so lange zu Herzen genommen. Ich dachte mir – vielleicht aus reinem Selbstschutz –, dass ich das nicht zu persönlich nehmen dürfe. Schließlich kanntest du mich im Grunde gar nicht. Und außerdem hat das gezeigt, dass du einen gu ten Sinn für Humor hast.«
    »Wenn überhaupt, dann warst du ein gesunkener Schatz«, sagte ich leise.
    Er lächelte und es war ein glückliches und trauriges Lächeln zugleich.
    »Du hast also mit Gwyn gesprochen?«, fragte er.
    Ich nickte, während ich immer noch mit den Tränen kämpfte. Wir setzten uns, so dicht nebeneinander, dass unsere Zehen sich berührten, und sahen uns an.
    »Na ja, wir haben uns ganz schön gefetzt«, sagte ich. »Und danach meinte sie, dass sie erst mal Zeit für sich bräuchte und über alles in Ruhe nachdenken müsste. Aber ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass ich meine absolut älteste und beste Freundin verloren hab.«
    »Aber Dimple, Rani, vielleicht stimmt das ja: Vielleicht braucht sie wirklich nur 'ne kleine Auszeit. So eine Freundschaft wie eure, die kann doch nicht wegen so was in die Brüche gehen.«
    »Wegen so was?«, sagte ich und tippte ihm sanft gegen die Brust. »Ich wünschte, du hast Recht – aber ich glaube, dass es sehr wohl möglich ist. Du bist nämlich was ziemlich Besonderes, Karsh.«
    »Weißt du, ich glaub gar nicht mal, dass ich so eine große Rolle gespielt habe. Das hatte vielmehr mit euch zweien zu tun. Ihr habt da in ein Wespennest gestochen und ich war nur … so eine Art Katalysator.«
    Ich erinnerte mich, dass in der Unterhaltung mit Gwyn tatsächlich ziemlich viele Dinge hochgekommen waren, die gar nichts mit Karsh zu tun gehabt hatten. Teilweise hatte er also Recht.

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