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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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Beutel ließ sie mich schon mal nicht tragen. Mit einem lauten Klicken fiel die Tür hinter uns ins Schloss.
    »Mann, bin ich voll«, sagte ich auf der Treppe, nur um etwas zu sagen. »Ich muss mindestens die halbe Pizza verdrückt haben.«
    Meine Stimme hallte durch das leere Treppenhaus, was ihr vollkommen unnötig eine gewisse Dramatik verlieh. Plötzlich blieb Kavita auf dem Treppenabsatz stehen und drehte sich zu mir.
    »Sag nichts«, wisperte sie, und ihre Stimme zitterte da bei, als würde sie jede Sekunde anfangen zu weinen. Sie starrte mir so direkt ins Gesicht, dass ich mich keinen Millimeter vom Fleck rührte. Aber der Intensität ihres Blickes zum Trotz zitterte sie am ganzen Körper wie ein kleines Kind, und schließlich rutschte ihr sogar der Müllbeutel aus der Hand und landete mit einem Rascheln auf dem Boden.
    Ich nahm ihre Hände, um sie zu beruhigen.
    »Dimple, hör zu. Wahrscheinlich hast du's sowieso schon längst gemerkt, aber Sabina und ich. Wir. Sind. Ähm. Zusammen.«
    »Ja, vollkommen okay«, sagte ich. »War mir schon klar.«
    Das stimmte nicht ganz. Richtig okay fühlte ich mich jedenfalls nicht und das mit dem Zusammensein hatte ich mir im Grunde noch nicht voll und ganz eingestanden. Aber zugleich war ich auch nicht wirklich geschockt – es war eher so, dass sich nun auf einen Schlag all die kleinen Puzzleteile in meinem Kopf zu einem Gesamtbild zusammenfügten.
    »Du … du bist also nicht geschockt?«
    »Weißt du«, sagte ich langsam und diesmal wahrheitsgemäß, »worüber ich tatsächlich schockiert bin, ist dein Mut. Weiß denn noch jemand …?«
    »Du bist die Erste aus der Verwandtschaft, die es von mir erfährt.«
    »Wow! Ich … ähm, ich fühl mich … geehrt, Kavita. Ihr zwei seid also wirklich -?«
    »Ganz genau.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte oder wie das Ganze überhaupt zu bewerten war, also plapperte ich ein fach so vor mich hin.
    »Also, ich meine, wow! Ist doch prima. Muss ja, äh, total klasse sein, quasi mit seiner besten Freundin zusammen zu sein. Stimmt's? So als ob ich mit Gwyn zusammen wäre, ähm, gewissermaßen jedenfalls. Stell ich mir mal so vor. Mit einem Mädchen muss es ja eigentlich viel … viel leichter sein, könnte ich mir denken.«
    »Also leicht würde ich Sabs nun nicht gerade nennen«, sagte Kavita und rollte mit den Augen, von denen man jedoch eine große Verliebtheit ablesen konnte.
    »Na gut, das ist wohl wahr«, stimmte ich lächelnd zu. »Aber du bist verliebt. Und das ist toll.«
    »Danke, Dimple.« Sie umarmte mich, und während wir so dastanden, atmete sie einmal derart laut aus, dass ich mich fragte, ob sie die ganze Zeit überhaupt geatmet hatte. Sie schluchzte noch mal kurz an meiner Schulter, doch als sie sich wieder von mir löste, strahlte sie übers ganze Gesicht.
    »Na«, sagte sie, »war doch gar nicht so schwer.«
    Es war nicht ganz klar, ob sie dabei mit mir oder mit sich selbst sprach.
    Als wir wieder in die Wohnung zurückkehrten, lag Gwyn auf dem Sofa und ließ die Beine über die Armlehne baumeln, damit die Farbe besser trocknen konnte. Sie sah aus wie eine Filmdiva während der Drehpause.
    »Wo wart ihr denn so lange?«, fragte Sabina.
    »Wir haben nur kurz den Müll nach unten gebracht«, antwortete Kavita und blinzelte mir zu.
    Nun war ich an der Reihe, bemalt zu werden. Sabina begann, mir ein wildes, verschlungenes Muster auf die Handflächen zu pinseln. Es kitzelte ein bisschen. Allerdings konnte ich ihr vor lauter Aufregung so rasch nach Kavitas Outing noch nicht direkt in die Augen schauen und war dankbar, dass ich meinen Blick auf meine Hände richten konnte.
    Ob wohl Maasi und Kaka über Kavita Bescheid wussten? Vielleicht hatten sie eine leise Ahnung, so wie ich sie unterbewusst gehabt hatte. Vielleicht war das ja auch der Grund gewesen, warum Sangita auf einmal so schnell unter die Haube gebracht werden sollte. Ob Dadaji davon gewusst hatte? Hatte Kavita es überhaupt damals schon gewusst? Sie war immer schon so selbstverständlich ein Teil meines Lebens gewesen, dass ich offenbar gar nicht so richtig über sie nachgedacht und meine Eindrücke hinterfragt hatte.
    Nachdem Sabina mit mir fertig war, war Kavita dran. Sie hockte sich auf indische – oder etwa südasiatische? – Weise auf den Boden, mit einer Hand auf dem Knie. Dann beugte sie sich leicht nach vorn und hielt mit der anderen Hand ihre Mütze auf dem Kopf fest. Auf ihrem Nacken zeigte sich eine dunkelrote Lotusblüte, die Sabina nun mit

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