Karma Girl
Henna nachzog. Das war also die Verzierung gewesen, die mir aufgefallen war, als sie bei mir übernachtet hatte.
Ich starrte wieder auf meine frisch bemalten Hände und sah mir die verschlungenen Linien noch mal genauer an.
»Wisst ihr«, sagte ich langsam, »dieses Muster erinnert mich irgendwie an das von Zara.«
»Natürlich tut es das«, sagte Sabina lächelnd. »Ich habe ihre Hände ja selbst bemalt. Und es scheint bei ihr immer besser als bei den anderen zu werden.«
»Warum nennst du Zara eigentlich sie ?«, fragte ich forsch. Der Wein hatte mittlerweile meine Zunge gelöst. »Sie ist doch ein Er .«
»Das kann nicht sein!«, rief Gwyn. »Unmöglich! Wir waren doch heute zusammen auf'm Damenklo.«
»Ach komm, Gwyn, ist dir denn nicht aufgefallen, was für einen großen Adamsapfel sie hat?«, sagte Sabina ein bisschen spöttisch.
»Natürlich nicht. Im Übrigen hatte sie eine Dupatta um den Hals, da konnte man gar nichts sehen.«
»Das stimmt«, sagte ich, »sie trägt immer etwas um den Hals.«
»Seht ihr?«, sagte Kavita.
»Aber Dimple, das kann doch nicht wahr sein«, beharrte Gwyn. »Ich meine, was ist denn mit diesem Jungen, mit dem sie zusammen ist. Ich habe die beiden nach der Konferenz kurz zusammen gesehen und die sahen ziemlich verliebt aus.«
»Und im HotPot waren die beiden auch zusammen«, warf ich ein. »Also, er müsste das doch mittlerweile wissen, oder?«
»Man kann sein Ding nicht die ganze Zeit verstecken, wenn man mit jemandem zusammen ist«, sagte Gwyn ernst.
»Natürlich weiß er das«, lachte Kavita. »Deshalb ist er ja mit ihr zusammen.«
»Aber er trägt doch einen Anzug«, sagte Gwyn. »Wie ein Bankangestellter.«
»Und sie trägt einen Sari«, sagte Kavita und rutschte etwas näher an Sabina heran. »Man weiß eben nie, was sich unter all den Schichten verbirgt, nicht wahr?«
24. KAPITE L
Subkontinentales Frühstück
Am nächsten Morgen war ich immer noch etwas benommen von Kavitas Outing. Ich hatte die Neuigkeit vor dem Schlafengehen Gwyn erzählt (wir beide hatten auf dem ausklappbaren Sofa gepennt). Sie hatte so was schon geahnt und sich vor lauter Aufregung kaum einkriegen können.
Als Kavita und Sabina, zum Ausgehen bereit, aus ihrem Zimmer kamen, konnte Gwyn sich nicht länger zurückhalten.
»Leute, Frauen! Ich wollte euch nur sagen, wie cool ich das finde, dass ihr zusammen seid. Ich meine, das ist doch so praktisch. Die beste Freundin ist gleichzeitig die Geliebte – ich wünschte, ich könnte das! Das ist einfach … völlig abgefahren! Ihr seid meine ersten lesbischen Freunde und ich bin mächtig stolz darauf.«
»Äh, danke, Gwyn«, sagte Sabina.
»Müssen wir das denn wirklich so labelmäßig hervorheben?«, monierte Kavita.
»Aber ging's auf der Konferenz nicht genau darum?«,
rief Gwyn und klopfte den beiden auf die Schultern. »Also, los geht's, ab in den Tag! Es wird bestimmt schön.«
»Gwyn«, flüsterte ich, als wir einen Augenblick alleine waren, »es wär vielleicht ganz gut, wenn du darüber nicht mit meinen Eltern sprechen würdest. Ich habe das Gefühl, dass die beiden damit noch nicht so locker umgehen können, wie du meinst.«
»Oh, na klar, kein Problem. Und Dimps – wo wir gerade dabei sind: Du solltest deinen Eltern auch besser nichts von Karsh und mir erzählen. Jedenfalls nicht so lange, bis wir nicht fest zusammen sind. Ich möchte nicht, dass sie denken, ich hätte ihn dir geklaut oder so. Ich meine, ich weiß, dass ich ihn dir nicht geklaut hab, aber Eltern sind bei so was immer ein bisschen komisch.«
»Verstehe«, sagte ich.
In der Cafeteria der Uni bestellten wir vier uns ein so genanntes subkontinentales Frühstück, das sich allerdings als ziemlich ungenießbar entpuppte. Selbst zu dieser frühen Stunde war der Raum bereits völlig verraucht. Nachdem wir eine Runde passiv mitgeraucht hatten, gingen wir nach draußen, um dort auf meine Eltern zu warten. Sie kamen nur ein ganz kleines bisschen zu spät und waren in Hochstimmung, weil sie angeblich noch einen Parkplatz direkt vor dem Uni-Gebäude ergattert hatten. Doch als ich sah, wen sie im Schlepptau hatten, begriff ich sofort, dass umsonst Parken nicht der einzige Grund für ihre gute Laune war.
»Karsh!«, riefen wir vier in einem Chor aus fröhlichen, flehenden, coolen und verliebten Stimmen.
»Wir sind ihm zufällig auf dem Weg hierher begegnet«, strahlte meine Mutter. »Schicksal, eindeutig.«
»Gwyn hat mich gestern eingeladen«, grinste Karsh. »Ich hoffe,
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