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Karneval der Alligatoren

Karneval der Alligatoren

Titel: Karneval der Alligatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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Treibsand eingedrungen und die Pflanzendecke nicht so dicht,
zwischen den Hauptlinien der Gebäude lagen breitere Wasserflächen. Alles sah
offen und leer aus; aus einem unerklärbaren Gefühl heraus war Kerans überzeugt,
daß sie Hardman nicht im Nordwesten finden würden.
    Riggs kletterte in das Cockpit, kurz
danach änderten sich Geschwindigkeit und Richtung des Fluges. Sie gingen
hinunter, bis auf etwa dreißig Meter an die Wasserfläche heran, der Pilot glitt
über den breiten Kanälen hin und her und suchte nach einem geeigneten Flachdach
zur Landung. Endlich entdeckte er den runden Rücken eines halbversunkenen Kinos
und ließ die Maschine sanft auf das Flachdach über der neo-assyrischen
Eingangshalle aufsetzen.
    Sie brauchten einige Minuten, ehe sie
wieder fest auf ihren Beinen standen. Gleich gegenüber stand ein Warenhaus ganz
für sich allein. Der weite Ausblick von diesem Dach erinnerte Kerans an die
Beschreibungen Herodots über die Flut in Ägypten, dessen Wall-Städte wie Inseln
aus dem Ägäischen Meer ragten.
    Riggs öffnete seine Landkarte und
breitete sie auf dem Boden des Hubschraubers aus. Die Ellenbogen auf den
Einstieg gestützt, zeigte er mit dem Finger ihre Position an.
    »Wir sind ja schon auf halben Weg
nach Grönland«, sagte er zu Daley. »Und erreicht haben wir so gut wie nichts.«
    Daley nickte, sein kleines,
ernsthaftes Gesicht war im Glasfiberhelm kaum zu erkennen. »Eine Suche aus
geringer Höhe hätte nur auf bestimmten Strecken Sinn. Es wäre ja möglich daß
wir irgendwas sehen, ein Floß oder einen Ölfleck.«
    »In Ordnung. Die Frage ist nur –«
Riggs trommelt mit seinem Stab auf die Karte »– wo? Vermutlich ist Hardman
keine fünf Kilometer weit vom Hauptquartier entfernt. Was meinen Sie, Kerans?«
    Kerans zuckte mit den Schultern. »Ich
kenne seine Motive nicht, Bodkin hat ihn ja betreut. Vielleicht ...«
    Seine Stimme verlor sich, Daley
machte einen zweiten Vorschlag und lenkte Riggs dadurch ab. Gemeinsam mit
Macready besprachen die beiden dann alle möglichen Wege, die Hardman
eingeschlagen haben könnte, markierten aber nur die breiteren Wasserstraßen,
als wäre der Leutnant mit einem kleinen Schlachtschiff unterwegs. Kerans
blickte auf das Wasser, das in langsamen Wellenschlägen am Kino vorbeitrieb.
Ein paar Zweige und Algenklumpen schwammen auf der Nordströmung mit, das grelle
Sonnenlicht dämpfte die Spiegelung des Wassers. Der Wellenschlag gegen die
Eingangshalle faszinierte ihn, es war, als erklinge der trommelnde Rhythmus im
genauen Gegensatz zu dem seines Gehirns. Einige Wellen lappten zum Dach empor,
er beobachtete ihr Spiel und wünschte sich dabei, wegzukönnen, direkt ins
Wasser hinunterzusteigen, sich selbst und die ihn bedrängenden Phantome in
Nichts aufzulösen, diese Aasgeier im Zauberkäfig des Dschungels, im
irrlichternden, schlangenerfüllten, tiefgrünen Meer.
    Plötzlich war ihm klar, wo Hardman
steckte. Er ließ Daley noch zu Ende reden. »... ich habe ihn gut gekannt, bin
fast fünftausend Flugstunden mit ihm geflogen. Sein Gehirn ist bestimmt nicht
in Ordnung. Er wollte zurück nach Camp Byrd, konnte es wohl nicht mehr
erwarten. Er ist sicher nach Norden und ruht jetzt irgendwo an einem dieser
Kanäle aus.«
    Riggs nickte zweifelnd. Daleys
Meinung überzeugte ihn nicht, aber er wußte ihr nichts entgegenzusetzen.
    »Vielleicht haben Sie recht.
Probieren können wir's ja mal. Was meinen Sie, Kerans?«
    Kerans schüttelte den Kopf.
»Absoluter Zeitverlust, im Norden zu suchen. Hierher ist er bestimmt nicht
gekommen, das liegt viel zu frei und isoliert. Ich weiß ja auch nicht, ob er zu
Fuß geht oder ein Floß paddelt, aber nach Norden will er bestimmt nicht. Nach
Byrd wollte der niemals zurück. Für ihn gab es nur eine Richtung: den Süden.«
Kerans deutete auf das Netz von Kanälen, die in die Zentral-Lagunen mündeten,
Nebenflüsse eines mächtigen Wasserwegs fünf Kilometer südlich der Stadt, der
überall von riesigen Sandbänken eingedämmt und abgezweigt wurde. »Vermutlich
brauchte er die ganze Nacht, um zum Hauptkanal zu gelangen, er wird jetzt
irgendwo dort zu finden sein. Sicher ruht er sich in einer der kleinen Buchten
aus, ehe er abends weitermacht.«
    Kerans schwieg, Riggs starrte auf
seine Landkarte, die Mütze in einer Geste der Konzentration bis über die Augen
gezogen.
    »Wieso nach Süden?« protestierte
Daley. »Wenn er den Kanal verläßt, kommt er doch mitten in den Dschungel und
ans offene Meer. Und die Temperaturen

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