Karneval der Alligatoren
steigen dauernd – er wird ja gebraten! «
Riggs sah zu Kerans auf. »Daley hat
nicht so unrecht. Warum sollte Hardman nach Süden wollen?«
Kerans blickte wieder auf die
Wasserfläche und antwortete ganz ruhig: »Weil es einfach keine andere Richtung
gibt.«
Riggs zögerte immer noch, er sah zu
Macready hinüber, der sich von der Gruppe gelöst hatte und jetzt neben Kerans
stand – eine hagere, leicht gekrümmte Krähensilhouette. Fast unmerklich nickte
er Riggs zu und beantwortete damit die unausgesprochene Frage. Selbst Daley
schien Kerans Logik zu akzeptieren und seine Begründung zu begreifen. Er sagte
nichts mehr und stieg in seine Kanzel.
Drei Minuten später ging es mit
voller Kraft voraus zu den Lagunen im Süden.
Sie fanden Hardman im Schwemmland,
genau wie Kerans es prophezeit hatte.
Von hundert Meter Höhe aus hatten sie
den breiten, fast zehn Kilometer langen Hauptkanal auf und ab beobachtet. Die
riesigen Sandbänke erhoben sich wie gelbe Walrücken, und wo immer die
Wasserkraft die Sandbänke einigermaßen dauerhaft hielt, griff die Vegetation
von den angrenzenden Dächern auf den Sand über, verwurzelte sich im nassen Lehm
und verfilzte den ganzen Morast zu einer unbeweglichen Struktur. Kerans blickte
sorgsam auf die kleinen Strandflächen vor den Farnbäumen, er hoffte, irgendwo
ein getarntes Floß oder eine primitive Laubhütte zu entdecken.
Nach zwanzig Minuten – sie waren
mehrmals den Kanal auf und ab geflogen – wandte sich Riggs enttäuscht vom
Ausguck ab.
»Sie mögen ja recht haben, Robert,
aber es ist einfach hoffnungslos. Hardman ist nicht dumm, und wenn er sich
verstecken will, finden wir ihn nie. Er könnte sich glatt bei einem Fenster
hinauslehnen und winken, ich wette zehn zu eins, daß wir ihn nicht sehen.«
Kerans brummelte eine unhörbare
Antwort und sah weiter nach unten. Sie waren in Abständen von jeweils dreißig
Metern auf und ab geflogen, und während der letzten drei Flüge hatte er immer
wieder eine halbkreisförmige Erhebung betrachtet, die am Rande des Kanals vor
dem Südufer eines Dschungelflüßchens stand. Die oberen Stockwerke des Gebäudes
ragten aus dem Wasser. Die Oberfläche war von Wasser überströmt, das aus einer
Anzahl flacher Pfützen, die es bedeckten, abfloß. Zwei Stunden vorher war das
Ufer eine glatte Oberfläche nassen Schlammes gewesen, aber um 10 Uhr, als der
Hubschrauber darüberflog, fing der Schlamm an zu trocknen und fest zu werden.
Kerans, der seine Augen gegen das reflektierende Sonnenlicht abschirmte, schien
seine Oberfläche von zwei schwachen parallelen Linien eingeritzt zu sein, etwa
sechs Fuß auseinander, die zu dem vorstehenden Dach eines fast überschwemmten
Balkons hinüberführten. Als sie hinüberflogen, versuchte er unter die
Betonplatte zu sehen, aber ihre Öffnung war von Abfall und verfaulenden
Baumstämmen verstopft.
Er berührte Riggs' Arm und wies auf
die Spuren, so vertieft darin, daß er beinahe das deutliche Muster von
Abdrücken in der trockenen Oberfläche zwischen den Linien nicht bemerkt hätte,
die etwa vier Fuß auseinanderlagen, zweifellos die Fußtritte eines großen,
starken Mannes, der eine schwere Last zog.
Als der Lärm des Hubschraubermotors
auf dem Dach über ihnen verebbte, beugten Riggs und Macready sich nieder und
untersuchten den Katamaran, der hinter Schlingpflanzen unter dem Balkon
verborgen war. Aus zwei Tanks gefertigt, die an beiden Enden eines Bettrahmens
aus Metall befestigt waren, waren seine grauen Zwillingsrümpfe noch mit Schlick
bespritzt. Schlammklumpen von Hardmans Füßen gingen durch die Balkontür und
verschwanden durch die Zimmerflucht im daranstoßenden Korridor.
»Das ist es zweifellos – stimmen Sie
zu, Sergeant?« fragte Riggs und trat hinaus in das Sonnenlicht, um zu der Reihe
von Wohnblöcken hinaufzuschauen. Als eine Kette von selbständigen Einheiten,
wurden sie durch kurze erhöhte Fußwege zwischen den Fahrstuhlschächten am Ende
jedes Gebäudes verbunden. Die meisten Fenster waren zerbrochen, die
cremefarbenen Fassadenplatten von riesigen Schimmelflecken bedeckt, der ganze
Komplex sah aus wie ein überreifer Camembert.
Macready kniete neben einer Tonne und
säuberte sie vom Sand. Die Code-Nummer wurde sichtbar. »UNAF 22-H-549 – die
stammt von uns. Wir haben die Dinger gestern rausgeworfen, auf das C-Deck. Er
muß abends den Rahmen von einem Reservebett herausgenommen haben.«
»Schön.« Riggs rieb sich die Hände
und ging lächelnd zu Kerans – voll
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