Karneval der Alligatoren
in Hardmans Kabine. Er ging zum Thermostat und drückte ihn um fünf
Grad hinunter.
»Hat wieder nicht funktioniert«,
sagte Beatrice. »Der Motor setzt immerzu aus.«
Kerans wollte ihr das Glas wegnehmen,
aber sie wich ihm aus. »Laß mich in Ruh, Robert«, sagte sie müde. »Ich weiß,
ich bin eine verkommene, betrunkene Frau, aber die letzte Nacht habe ich in
gräßlichen Dschungeln verbracht und kann jetzt keine guten Lehren brauchen.«
Kerans betrachtete sie genau; Rührung
und Verzweiflung ergriffen ihn. »Will mal sehen, ob ich den Motor hinkriege.
Hier stinkt's ja, als hättest du ein ganzes Strafbataillon einquartiert. Dusch
dich, Bea, und reiß dich zusammen. Riggs fährt morgen, wir brauchen all unseren
Verstand. Was hast du denn für Alpträume?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Dschungelträume«, sagte sie gleichgültig, »ich fange ganz von vorne in der
Weltgeschichte an. Gestern nacht waren es die Deltadschungel.« Sie lächelte ihn
verbissen an. »Schau nicht so streng, dir wird's bald genauso gehen.«
»Hoffentlich nicht.« Das Glas an
ihren Lippen war ihm ein widerlicher Anblick. »Schütt bitte das Zeug weg!
Frühstück mit Scotch mag in Schottland Mode sein, für die Leber ist's
jedenfalls Gift.«
Mit einer geringschätzigen
Handbewegung antwortete sie: »Weiß schon. Alkohol tötet langsam. Ich hab's ja
auch nicht eilig. Laß mich allein, Robert.«
Kerans gab es auf, er drehte sich um
und ging zum Lagerraum hinunter. Mit entsprechendem Werkzeug machte er sich an
die Reparatur des Motors.
Eine halbe Stunde später lag Beatrice
wieder im Hof und lackierte ihre Nägel. Sie schien alles überstanden zu haben.
»Na, bessere Laune jetzt?« empfing
sie Kerans.
Er setzte sich auf den Fliesenboden,
wischte sich den letzten Schmutz von den Händen, schlug ihr auf die feste Wade
und schützte sich rasch vor ihrem Absatz. »Hab das Zeug repariert, wird jetzt
wohl eine Weile halten. Komischerweise ist die Zeiteinstellung kaputt gewesen,
die Zeit lief sozusagen rückwärts.«
Eben wollte er näher auf diesen
merkwürdigen Zufall eingehen, da brüllte es in der Lagune unten auf.
Frenetische Aktivität entwickelte sich, Motoren heulten auf und beschleunigten,
Bootskräne kreischten – man ließ Reserveboote zu Wasser –, Stimmen und
Füßegetrappel wurden immer lauter.
Kerans lief ums Becken zum Geländer
vor. »Wollen die etwa schon heute los? Wäre Riggs zuzutrauen, daß er versucht,
uns rumzukriegen.«
Beatrice stand neben ihm, nur ein
Handtuch um ihren Körper geschlungen. Alle Leute dort unten schienen
mobilisiert worden zu sein, der Kutter und die zwei Motorboote fuhren langsam
aus, die Propellerflügel des Hubschraubers hoben sich langsam in die
Waagrechte, Riggs und Macready stiegen eben ein. Die anderen machten sich
bereit, in die Boote zu springen, sogar Bodkin war aufgeschreckt worden, er
stand mit nacktem Oberkörper auf der Brücke der Teststation und schrie Riggs etwas
zu.
Plötzlich entdeckte Macready Kerans
und sagte es Riggs; der nahm ein Megaphon und schrie ihm etwas zu.
Die Silben drangen mit mehrfachem
Echo herauf – Kerans hielt die Hand hinters Ohr und versuchte zu verstehen, was
Riggs gerufen hatte, aber der Hubschrauberlärm überdeckte jetzt alles. Riggs
und Macready kletterten in die Kanzel, der Pilot gab Kerans aus dem Cockpit
Blinkzeichen.
Kerans übersetzte die Morsezeichen,
wandte sich rasch um und trug die Liegestühle in die Diele.
»Sie holen mich hier ab«, sagte er zu
Beatrice; der Hubschrauber stieg auf und flog schräg nach oben. »Zieh dich an
oder verkrümle dich. Der Luftstrom reißt dir das Handtuch weg wie ein Stück
Papier. Riggs hat jetzt genug anderes auf dem Hals.«
Beatrice half ihm, die Markise hochzuschieben.
Als der Schatten des Hubschraubers flackernd über den Hof fiel, ging sie rasch
in die Diele. Der Windstrom blies ihr bereits über die Schultern.
»Was ist denn los, Robert? Warum ist
Riggs so aufgeregt?«
»Er ist gar nicht aufgeregt – nur in
größter Sorge. Alles um ihn fällt zusammen. Leutnant Hardman ist verschwunden!«
Wie eine faulige Eiterbeule lag der
Dschungel unter ihnen. Riesige Haine urweltlicher Nadelbäume zogen sich in
dichten Klumpen von Dach zu Dach. An einigen Stellen ragten Betonwasserspeicher
aus dem Morast, neben manchen halbzerfallenen Bürogebäuden schwammen noch Reste
primitiver Landestege, von fedrigen Akazien und blühenden Tamarisken
überwuchert. Schmale Wasserwege, durch das überhängende
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