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Karneval der Alligatoren

Karneval der Alligatoren

Titel: Karneval der Alligatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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Treibstoff zu sparen, hatte er das große,
goldgerahmte Doppelbett in die Diele geschoben, aber es verlockte ihn so sehr
zum Schlafen, daß er es wieder zurückbringen mußte ...
    »Kerans!« Die Stimme war schon ganz
nahe. Kerans humpelte langsam ins Badezimmer und konnte sich gerade noch das
Gesicht naß machen, ehe Strangman eintrat.
    Strangman warf seinen Helm zu Boden
und überreichte Kerans eine Kanne voll heißem Kaffee und einen altersgrünen
Gorgonzola. »Für Sie.« Er sah Kerans freundlich in die müden Augen. »Wie geht's
in der Urzeit?«
    Kerans setzte sich auf den Bettrand
und wartete, bis das Dröhnen des Traumdschungels abklang. Endlos dehnten sich
Traumreste unter der Oberfläche der Realität bis in sein Tagleben. »Was wollen
Sie?« fragte er barsch.
    Strangman tat sehr beleidigt.
    »Kerans, ich mag Sie. Das
vergessen Sie immer wieder.« Er drehte die Klimaanlage stärker auf und lächelte
Kerans an, der sein pervers grinsendes Gesicht mißtrauisch betrachtete. »Ich
habe aber einen anderen Grund – ich möchte Sie heute zum Abendessen dabei
haben. Schütteln Sie nicht gleich wieder den Kopf. Ich bin schon so oft hierher
gekommen, es ist Zeit, daß ich mich einmal revanchiere. Beatrice und der alte
Bodkin werden auch da sein, es wird bestimmt toll werden – Feuerwerk,
Urwaldtrommeln ... und eine Überraschung.«
    »Und was für eine?«
    »Werden Sie schon sehen. Was ganz
Tolles, das können Sie mir glauben, ich mache keine halben Sachen. Wenn ich
wollte, könnte ich die Alligatoren auf den Schwanzspitzen Ballett tanzen
lassen.« Er nickte ernsthaft. »Kerans, es wird Ihnen bestimmt Eindruck machen.
Vielleicht tut es Ihnen auch innerlich gut und bringt diese verrückte
Zeitmaschine zum Stillstand. Ich sollte Sie lieber nicht aufziehen; ich könnte nicht
ein Zehntel von dem ertragen, was Sie sich da aufhalsen. Diese tragische
Einsamkeit zum Beispiel und die geisterhaften Trias-Sümpfe.« Er nahm ein Buch
von der Klima-Anlage – Donnes Gedichte. »Welt in einer Welt, jedermann eine
Insel für sich selbst, durch Meere von Archipelen schwimmend ...«
    Kerans war sicher, daß Strangman ihn
nur hochnahm. »Wie geht's mit der Taucherei?« fragte er.
    »Ehrlich gesagt, nicht allzu gut. Die
Stadt liegt zu weit im Norden, es ist nicht viel zurückgelassen worden. Aber
wir haben einige interessante Dinge entdeckt. Sie werden's heute abend sehen.«
    Kerans zögerte; ob er überhaupt genug
Energie haben würde, sich mit Bodkin und Beatrice zu unterhalten? Beide hatte
er seit dem Debakel mit der Tauch-Party nicht mehr gesehen. Strangman fuhr
jeden Tag mit dem Flugboot zu Beatrices Wohnung – mit welchem Erfolg, konnte
Kerans nur aus den Bemerkungen Strangmans entnehmen: »Frauen sind wie Spinnen,
sitzen da, beobachten jeden und weben ihre Netze«, oder »Sie redet dauernd über
Sie, Robert, verflixt noch mal« – alles deutete auf wenig positive Wirkung hin.
    Der drängende Ton ließ Kerans
vermuten, daß er sich diesmal nicht entziehen konnte. Strangman folgte ihm in
die Diele, er wartete auf Antwort.
    »Ein bißchen knapp vorher sagen Sie
mir das.«
    »Tut mir schrecklich leid, aber wir
kennen uns doch so gut, da dachte ich, es würde nichts ausmachen. Halten Sie es
meinem manisch-depressiven Wesen zugute, ich bin immer so impulsiv.«
    Kerans suchte zwei vergoldete
Kaffeetassen hervor und füllte den Kaffee ein. Wir kennen uns doch so gut,
dachte er – ich kenne ihn überhaupt nicht, diesen Strangman. Saust da über die
Lagunen, halb Freibeuter, halb Teufel. Eine beinahe positive Rolle spielte er
allerdings auch, jedenfalls in der Neuronik, indem er Kerans einen Spiegel
vorhielt und ihn vor der Zukunft, die er gewählt hatte, warnte. Und das verband
sie, denn Kerans hätte sonst die Lagune längst verlassen und wäre südwärts
gezogen.
    »Es ist doch nicht etwa eine
Abschiedsparty?« fragte Kerans. »Sie wollen uns doch nicht verlassen?«
    »Aber Kerans!« sagte Strangman
empört. »Wir sind doch gerade erst gekommen. Außerdem, wo sollten wir hin? Ist
ja nicht viel übriggeblieben. Ich kann Ihnen sagen, manchmal fühle ich mich wie
Phlebas, der Phönizier. Eigentlich Ihre Rolle, oder?«
     
    »Eine Strömung im Meer nahm seine
Gebeine flüsternd auf. Im Steigen und Fallen zog er an allen Stadien seines
Alters und seiner Jugend vorbei, ehe es ihn in den Wirbel zog.«
     
    Er fiel Kerans weiter auf die Nerven,
bis der die Einladung akzeptierte. Dann zog er jubilierend ab. Kerans trank den
restlichen

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