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Karneval der Alligatoren

Karneval der Alligatoren

Titel: Karneval der Alligatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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ab. Und in wenigen Wochen sind ohnehin
die Regenstürme hier.«
    Beatrice räusperte sich und sah
angewidert zu den Fledermäusen hinauf, die jetzt von einer Regenrinne zur
anderen flitzten. »Aber es ist alles so häßlich. Ich kann gar nicht glauben,
daß hier je irgend jemand gelebt hat. Es ist wie eine eingebildete Höllenstadt.
Robert, ich brauche die Lagune!«
    »Wir können natürlich von hier
wegziehen, nach Süden, über die Sandbänke. Was meinen Sie, Alan?«
    Bodkin schüttelte langsam den Kopf,
er starrte immer noch ungläubig auf die sich im Dunkeln verlierenden Gebäude um
den Platz. »Ihr zwei könnt ja gehen. Ich muß hierbleiben.«
    Kerans zögerte. »Alan«, warnte er ihn
behutsam, »Strangman hat jetzt alles, was er will. Wir nützen ihm nichts mehr.
Wir werden bald nur noch unwillkommene Gäste sein.«
    Bodkin hörte ihm gar nicht zu. Er
blickte auf die Straße hinunter, mit seinen Händen umklammerte er das Geländer,
wie alte Männer sich oft in Geschäften am Verkaufspult festhalten, verloren in
die Erinnerungen an seine Kindheit stand er da.
    Die Straßen waren schon fast
trockengelegt. Das Boot in ihrer Nähe lief auf einem Gehsteig fest, kam wieder
los und blieb dann endgültig an einer Verkehrsinsel hängen. Der Große Cäsar und
seine drei Leute kletterten heraus – das Wasser ging ihnen noch bis zur Hüfte –
und steuerten lärmend das Depotschiff an. Im Vorübergehen spritzten sie aus lauter
Übermut Wasser in die offenen Fensterhöhlen der Geschäfte.
    Ein letzter Ruck, dann war auch das
große Schiff endlich zur Ruhe gekommen. Strangman und seine Leute schrien und
johlten vor Freude, während sie überhängende Drähte und entgegenkippende Masten
abwehrten. Ein Rettungsboot wurde hinuntergelassen, Strangman ließ sich vom
Admiral über den seichten Teich zum Brunnen in der Mitte des Platzes rudern,
während seine Leute mit ihren Fäusten einen wilden Rhythmus auf das Geländer
trommelten. Strangman stieg aus, zog eine Leuchtpistole aus seiner Dinnerjacke
und feuerte unter wildem Gebrüll Salve um Salve farbiger Leuchtraketen in die
Luft.

11
     
     
    Eine halbe Stunde später konnten
Beatrice, Kerans und Bodkin bereits trockenen Fußes durch die Straßen gehen. Überall
waren noch Tümpel, das Wasser sickerte aus den Erdgeschossen der Häuser, aber
keine Lache war tiefer als einen Meter. Hunderte Meter lang war oft kein
Tropfen Wasser auf dem Boden, manche Straßen lagen überhaupt völlig trocken da.
Fische und Pflanzen starben mitten auf der Fahrbahn dahin, riesige Schlammwälle
sammelten sich an Abflüssen und Gehsteigen, konnten aber die abfließenden
Wasser nicht aufhalten.
    Von dem immer noch Raketen
verschießenden Strangman angeführt, raste die Meute brüllender Matrosen in die
dunklen Straßen hinaus. Die ganz vorne balancierten ein Rumfaß auf den
ausgestreckten Handflächen, andere schwangen Flaschen, Macheten und Gitarren.
Ein paar Hohnrufe »Der Knochenmann« waren um Kerans erklungen, als er Beatrice
vom Schiff half, dann blieben die drei allein auf stillem Platz, im Schatten
des riesigen, gestrandeten Schiffs.
    Nach einem vorsichtigen Blick auf den
hoch über ihnen liegenden, weit entfernten Dschungel – es sah aus, als stünden
sie am Tiefpunkt eines erloschenen Kraters – ging Kerans zu einem ehemaligen
Kino, die beiden anderen folgten ihm; Beatrice hielt ihren Rocksaum hoch, auf
dem Fliesenboden zuckten noch Seegurken und Seeigel, in der Kasse blühten
Meeresblumen.
    Sie wanderten langsam die Reihe der
Kinos, Kaffees und Spielsalons ab, deren einzige Gäste jetzt die Muscheln und
Mollusken waren. Bei der ersten Ecke bogen sie ab – von der anderen Seite des
Platzes her erscholl Freudengebrüll – und gingen nach Westen durch eine der
engen, feuchten Straßenschluchten. Immer noch explodierten Leuchtraketen über
ihren Köpfen, die zarten Glasschwämme an den Eingängen strahlten im Widerschein
des rosa und blauen Lichtes schwach auf.
    »Coventry Street, Haymarket ...«, las
Kerans von den rostigen Straßenschildern. Als Strangman und sein Pack in voller
Beleuchtung und brüllend über den Platz stürzten, zogen sie sich schnell in
einen Eingang zurück. Die Männer schlugen wie wild mit ihren Messern in die
faulenden Ladenschilder und rissen sie stückweise zu Boden.
    »Hoffentlich finden sie was«,
flüsterte Bodkin. Er blickte nach oben, als suche er das tiefe, dunkle Wasser,
das einst all dies bedeckt hatte.
     
    Mehrere Stunden lang wanderten sie
wie

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