Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
kleinen, unbedeutenden Kirchen, von denen Venedig geradezu überquoll, die Fassade schmucklos aus schmutzig grauem Sandstein, der Turm nur wenig höher als das spitze Dach. Giuliana betrachtete das kleine Gotteshaus kritisch. Schräg gegenüber auf der anderen Seite des Platzes Campo San Fantin lag ein Palazzo, der die Kirche an Größe um einiges überragte.
»Was sollen wir hier machen?«
»Das Bodenmosaik vor dem Altar muss neu gelegt werden. Wir werden nur ein paar Tage dafür brauchen, und dann beginnen wir im Palazzo Bragadin.«
»Und ich muss Amadeo jeden Tag sehen«, dachte Giuliana. »Wie soll ich das aushalten?«
Vor der Kirche erwartete sie der Priester, ein Mann mit einem runzeligen Gesicht, das aus jeder Falte Güte und Freundlichkeit ausstrahlte. In einer Hand hielt er einen großen Schlüsselbund. Er begrüßte Il Sasso respektvoll, wie einen großen Künstler. Für Giuliana hatte er einen freundlichen Blick übrig, bevor er ihnen die Tür aufschloss.
Das Innere des Gotteshauses war klein und schmucklos, und das durch die Tür einfallende Licht reichte gerade bis zum Altar, der sich gegenüber denen in größeren Kirchen bescheiden ausnahm. Welche Aufgaben es für einen Steinmetz hier zu tun gab, war auf den ersten Blick zu erkennen: Das Bodenmosaik war in einem beklagenswerten Zustand, viele der kleinen Fliesen waren gebrochen, Teile der Glasur waren abgesprungen. Es bot keinen Anblick mehr, der Gott zu höheren Ehren gereichte. Die Arbeit war ihres Vaters jedoch kaum würdig, jeder Geselle könnte es legen. Den Boden aufstemmen, neu verfüllen, glätten und das Mosaik neu legen. Sie könnte es tun.
Der Priester führte sie zum Altar. »Ihr seht überdeutlich, was zu tun ist.«
Il Sasso runzelte die Stirn. Selbst mit seinem nachlassenden Augenlicht stellte diese Arbeit kein Problem für ihn dar. Giuliana kniete sich hin, der gesamte Boden in Madonna di San Fantino hätte auch dringend einer Renovierung bedurft, nicht nur der Teil vor dem Altar.
»Das ist …«
»… nicht gerade eine Arbeit, die eines Il Sassos würdig ist, ich weiß das. Umso mehr fühlt sich Madonna di San Fantino geehrt, dass Ihr diesen Auftrag angenommen habt«, sagte der Priester freundlich.
»Wo sind die Kacheln für das neue Mosaik?«, fragte Il Sasso . »Mein Sohn und ich können morgen mit der Arbeit beginnen.«
Auf einmal sah der Priester zerknirscht aus. Giuliana kniete immer noch am Rand des Mosaiks und schaute zu den beiden Männern auf.
»Da gibt es eine Schwierigkeit, werter Meister.« Der Mann Gottes ging hinter den Altar und zog eine staubige Kiste hervor. Sie war klein und mit Mosaikkacheln gefüllt. »Das ist alles, was ich noch für das Mosaik habe.«
»Das wird nicht reichen.« Mehr als einen kurzen Blick musste Giuliana dafür nicht in die Kiste werfen.
Ihr Vater nickte.
»Ihr müsst mit diesen und den schon verlegten Kacheln auskommen. Mehr haben wir nicht. Das Mosaik kann man doch vorsichtig hochnehmen?«
»Wir versuchen es.«
»Gott wird Euch ebenso dankbar sein wie ich.«
Mit seinem gütigen Lächeln verabschiedete sich der Priester und ließ sie allein.
»Das geht so nicht«, sagte Giuliana wild, kaum dass der Kirchenmann das Gebäude verlassen hatte. »Du bist Il Sasso , so was kannst du nicht machen. Du ruinierst deinen guten Ruf.«
»Giuliana, Giulio, wir müssen. Zwischen den großen Aufträgen müssen wir auch immer wieder kleinere annehmen und Dukaten verdienen. Das Leben in Venedig ist teurer als in Verona, Ana gibt eine Dukate nach der anderen für den Haushalt aus, und sie ist bestimmt sparsam.«
»Es ist unter deiner Würde, Padre.«
Ihr Vater antwortete nicht, sondern ging durch das Kirchenschiff und betrachtete die Heiligenfiguren, die in Nischen zwischen den Fenstern standen. »Wir erledigen diesen Auftrag so gut und so sorgfältig, wie es uns möglich ist. Es wird uns schon gelingen, genügend Kacheln heil aufzunehmen, um das Mosaik neu zu legen. Dir wird es gelingen. Für diese Arbeit übertrage ich dir die Verantwortung. Deine Aufgabe.« Er zeigte auf den Boden vor dem Altar.
Kapitel 7
In Giulio-Kleidung hatte er ihr Kommen gewünscht und sie nicht zu Benedetta, sondern zu einer Adresse im Sestiere San Polo bestellt. Sie hatte sich so gewünscht, das neue Kleid anzuziehen und sich damit vor ihm zu zeigen. Da er Gehorsam gefordert hatte, trug sie den Anzug, den er ihr schneidern ließ, einen breitkrempigen Hut und, weil immer noch Karneval war, eine Maske vor den
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