Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
auch, dass das Oberhaupt der Familie Bragadin die Steine für das Mosaik nicht wieder abbestellen würde. Bei Geschäften und privaten Investitionen fühlte er sich jedoch nur wohl, wenn er wegen angeblicher Risiken eingebildete Sorgen zum Ausdruck gebracht hatte. Amadeo gähnte verstohlen hinter vorgehaltener Hand, verabschiedete sich von seinem Erzeuger und suchte seine Räume auf.
Pietro Zianello saß in einer Fensternische des Studierzimmers in der Casa Zianello und hielt ein Buch in Händen, während er auf seinen Spion wartete. Für Männer seines Standes war es immer angemessen, sich mit einem Buch zu beschäftigen; tatsächlich hielt er es nur in den Händen und las nicht darin. Ungefähr hundert Bücher wurden in schweren Schränken mit geschnitzten Türen aufbewahrt. Sie enthielten das Wissen der Familie Zianello, das sein Vater für einen unbezahlbaren Schatz hielt. Bis er nach Rom gekommen und der Sekretär Kardinal Benottos geworden war, hatte er sie auch für einen Schatz gehalten. Im Vatikan hatte er allerdings gelernt, was für eine armselige Bibliothek hundert Bände darstellten. Der Spanier auf dem Heiligen Stuhl nannte ein Vielfaches sein Eigen, und an manchen Tagen kamen zwei neue hinzu. In einem Buch lesend hatte er Papst Alexander VI. allerdings noch nie gesehen. Bevor er sich weitere Gedanken über den weltlichen Reichtum der Zianellos machen und ihn womöglich noch mit dem der Familie Bragadin vergleichen konnte, trat sein Spion ein und verneigte sich vor ihm.
»Du hast Informationen für mich, Fabrizio?«
»Ich habe etwas entdeckt, das Amadeo Bragadin das Genick brechen wird. Ihr werdet mit mir zufrieden sein.«
»Rede, Mann!« Pietro klopfte ungeduldig mit einer Schuhspitze auf den Boden. Er war der Meinung, sein Spion zögere seinen Bericht absichtlich hinaus, um mehr Geld aus ihm herauszupressen. Seine Börse würde er verschlossen halten. Die Sache hatte ihn bereits einige Dukaten gekostet, weitere würde er nicht springen lassen – es sei denn, Fabrizio hätte etwas wirklich Außergewöhnliches entdeckt.
»Amadeo Bragadin treibt es mit einem Buhlknaben.«
Fabrizio sah höchst zufrieden aus, und Pietro musste zugeben: Das war wirklich eine Entdeckung, die diesen Namen verdiente. »Hast du es beobachtet?«
»Er hat ihn in einer dunklen Gasse geküsst. Ich habe es genau gesehen. Habt Ihr so etwas erwartet?«
Das hatte er nicht erwartet, es war viel mehr, als er in seinen kühnsten Träumen erhofft hatte. Ein paar Liebschaften, eine Kurtisane waren normal für einen Mann aus seinen Kreisen. Ein Buhlknabe – als Mann der Kirche sollte er schockiert sein von so etwas wider die menschliche Natur zu hören. Doch er dachte eher daran, dass ihm das eine sehr scharfe Waffe gegen Amadeo Bragadin in die Hand gab. Der Rat der Zehn reagierte auf solche die öffentliche Moral störenden Vorkommnisse sehr empfindlich und verfolgte die Schuldigen unbarmherzig. Das war sehr gut.
»Was wollt Ihr tun, Signore?«, unterbrach Fabrizio seine Gedanken.
»Klage erheben vor dem Rat der Zehn. Nein – warte. Was ist das für ein Buhlknabe?«
»Ein hübscher Knabe, der Sohn eines Handwerkers, der erst vor Kurzem nach Venedig gekommen ist. Sie sind Mosaikleger und werden im Palazzo Bragadin arbeiten. Äußerst praktisch für den jungen Signore, wenn Ihr mich fragt. Ich kann die Sache diskret aus der Welt schaffen.« Bei diesen Worten fuhr Fabrizio sich mit dem Zeigefinger über den Hals, um zu unterstreichen, was er meinte.
»Nein, das nicht«, widersprach Pietro sofort. Sein Widersacher sollte leiden, das ganze Leben lang und nicht nur für einen kurzen Augenblick der Trauer. »Wir brauchen zunächst noch mehr Beweise seiner Buhlschaft mit diesem Knaben, bevor ich ihn vor den Rat der Zehn bringe. Ein Kuss – am Ende gelingt es Bragadin irgendwie, sich aus der Sache herauszureden. Du wirst diese Beweise beschaffen. Er darf davon nichts merken, es muss ihn völlig unvorbereitet treffen.«
»Wie Ihr wünscht, Signore.« Fabrizio verneigte sich und hielt die Hand auf. »Da wird etwas kosten, Signore.«
»Beutelschneider.« Aber Pietro griff unter sein Gewand, zog eine wohlgefüllte Börse hervor und ließ sie in Fabrizios Hand gleiten. Diese Nachricht war weitere Ausgaben wert.
Wieder allein im Studierzimmer tat er nicht einmal so, als würde ihn ein Buch interessieren. Mit auf dem Rücken verschränkten Händen ging er im Raum auf und ab und malte sich aus, wie er wie ein Falke auf Amadeo Bragadin
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