Karneval der Toten
Stimme freute sich wie ein Schneekönig über diese Antwort. Gut. Melrose war wieder ganz der Alte.
»Finden Sie Symmetrie hier denn angebracht?«, fragte er Warburton.
Wahrscheinlich nicht, gestand Warburton ein, die Pfeife wieder im Mund und ein paar Paffer später, er habe aber nun mal diesen forschenden Blick des Architekten. »Kann nichts dafür.«
»Sagen Sie, Lord – ich meine, Mr. Warburton, was hat eigentlich den Anstoß zu diesem ganzen Restaurierungsprojekt gegeben?«
»Mary Scott wollte es, die Arme. Vielleicht unter dem Eindruck von Heligan. Das ist ja ein Mammutprojekt.« Er klopfte seine Pfeife gegen den Springbrunnen, um den Tabak zu lockern. »Von Declan ging es jedenfalls nicht aus. Declan ist nämlich zufrieden mit der Welt, wie sie ist. Das hier wiederum lässt er jetzt machen als eine Art von – nun ja, er tut es für sie.« Warburton schien dieser Grund zuzusagen. »Wenn es nach Declan ginge, müsste weder drinnen noch draußen etwas verändert werden.«
Melrose hatte sich auf ein Knie niedergelassen und setzte das kräftig lilablaue Stiefmütterchen wieder in seine ursprüngliche Vertiefung. »Das war Lulu, die hat die Reihe durcheinandergebracht. Sie hat das hier herausgezogen und die anderen weiter auseinander gesetzt. Mit Mr. Macmillan würde sie sich das bestimmt nicht erlauben.«
»Ha! Lieber nicht. Macmillan würde ihr das Fell über die Ohren ziehen. Dieses Kind steckt seine Nase überall rein. Kommandiert alle herum, das kleine Ding. Ständig sucht sie Streit.«
Streit? Nun ja, irgendetwas suchte sie jedenfalls.
Melrose stand da und starrte auf seine Stiefmütterchenumpflanzung hinunter. Die sah auch nicht besser aus als vorher.
So war das eben mit der Gärtnerei. Er streifte die Handschuhe ab und schmiss sie neben die Pflanzkelle hin. Kein Wunder, dass er sich mit dem Zeug nicht groß abgab.
35
Durch das schmiedeeiserne Tor mit dem Engel betrat Jury wieder den Garten mit dem Teich, wo er sich auf dieselbe Bank setzte, die er kurz zuvor verlassen hatte. Dieser Garten im Garten war so abgeschieden und traulich, dass man nicht ahnte, was für umfangreiche Arbeiten anderswo vonstatten gingen. Auf der anderen Seite der Eibischhecke konnte er die Stimmen der Macmillans ausmachen.
Hier begannen die Blumen bereits zu blühen, Rabatten von blauen Blumen vor den Hecken – dunkler Rittersporn, dazu ein silbrigblauer Busch, den er nicht benennen konnte, Kornblumen, fedriges Rispengras. Die Stiefmütterchen in Melrose Plants kleinem Rasenbeet wirkten wie verdattert, als wäre hier weder die richtige Zeit noch der passende Ort für ihr Erscheinen.
Es war noch nicht einmal April und daher ein wenig früh für Wiedergestaltung, Wiedergeburt und Wiederurbarmachung. Vorausgesetzt, man glaubte an solche Sachen. Jury rieb sich übers Gesicht, und gleich überkam ihn ein leiser Schauer, weil ihm einfiel, dass man mit dieser Geste auch den Toten die Augen schloss. Er fragte sich, was es wohl war, von dem er das Gefühl hatte, es habe ihn für immer verlassen. Die unbestimmte Überzeugung, dass schließlich alles doch auf ein gutes Ende hinauslief? Er war sich dessen in letzter Zeit immer weniger sicher.
Von der anderen Heckenseite her ertönten die Stimmen – Worte, Gelächter -, es war, als zöge eine Parallelwelt von Klängen an ihm vorüber. Er war müde, er wollte den ganzen verdammten Mist an den Nagel hängen. Allerdings würde die Tatsache, fast gestorben zu sein, wohl jeden dazu veranlassen, seine Prioritätenliste neu zu ordnen. Nur stellte er fest, dass er gar keine Liste hatte. Alles, was darauf hätte stehen sollen, erschien ihm gleich – gleich wichtig oder unwichtig.
Seine Gedanken waren unklar, führten nirgendwohin. Was ist, du bist doch ein schlauer Bursche, ein guter Kriminaldetektiv. Du kommst schon noch auf die Lösung. Noch einmal die Fakten: Vor drei Jahren verschwand Flora Baumann aus den Verlorenen Gärten von Heligan. Ein halbes Jahr später stirbt Mary Scott. Ein Jahr danach trifft Declan Scott auf Georgina Fox, alias Lena Banks, die vermutlich im Auftrag von Viktor Baumann arbeitet.
Jury beugte sich vor, die Arme auf die Beine gestützt, und betrachtete ein paar Blümchen am Rand des Teiches, die von der leichten Brise gezaust wurden. Vornüber gebeugt, mit gesenktem Kopf spürte er, dass auf der anderen Seite des Seerosenteichs jemand war, noch ehe er die Gestalt sah. Er dachte: Entweder ist es der Mörder, der die Waffe auf mich gerichtet hält, oder ein
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