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Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
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wahrscheinlich, er hätte sie retten können, diese Kleine, wenn er vorsichtig gewesen wäre, wenn er akribischer vorgegangen wäre. Gott, was wir alles von uns verlangen.«
    »Es gibt nichts auf der Welt, was er hätte machen können. Das Kind war von dem Moment an verloren, als sie es verschleppt hatten.«
    »Er wird sich aber immer die Schuld an ihrer Entführung geben.«
    Melrose nickte. »Das war einfach grausam.«
    Jury nickte und stand auf. »Und dieser Mord erinnert ihn jetzt daran. Damals hat er Flora nicht gefunden, und das sieht er erneut als Scheitern, als sei er wieder einmal gescheitert. Als hätte er auch Floras Mutter im Stich gelassen.« Jury stellte seine Tasse hin. »Ich muss los. Danke für den Tee.«
    »Wieso? Ich meine, wieso fahren Sie diesmal nach London?«
    »Unerledigte Geschäfte.«
    »Jetzt bin ich gescheiter.«
    Jury lächelte, hob die Hand zum Gruß und ging.
     
    Cody Platt stand vor Beaminsters Schreibtisch, ins Gespräch mit ihm und Swayle vertieft, der aussah, als würde er von diesem Drehstuhl nie wieder aufstehen. Er hatte ihn bis zum Anschlag nach hinten gekippt und ließ die Arme locker über den Armlehnen herunterhängen. Dabei lachte er unentwegt.
    Jury fragte sich, wie ein so verschlagen wirkender Detektiv wie Swayle unter Macalvie überleben konnte. Aber vielleicht gab er sich in Macalvies Gegenwart anders, und sein Chef konnte die Augen ja nicht überall haben.
    Bei Jurys Anblick hörte Beaminster schlagartig auf zu lachen. Swayle ließ den Stuhl knarrend nach vorn kippen, und Cody wirbelte herum. Außer ihm lächelte keiner.
    »Cody, kann ich Sie vielleicht mal einen Moment sprechen?« Er sah, wie sich Codys Augen erschrocken weiteten und sein Gesicht aschfahl wurde. Vermutlich dachte er, es ginge wieder darum, dass er Mary Scott und Flora damals hinterhergegangen war.
    »Klar.« Sie traten ein Stück zur Seite.
    Die beiden anderen sahen ihnen hinterher, und ihre Gesichter sagten, Was ist, warum geht ihr nicht? So geht doch endlich. Jury ließ sich von ihren feindseligen Blicken jedoch nicht behelligen. Er setzte sich an den kleinen Tisch, der als Schreibtisch diente und von den beiden anderen Polizisten etwas abseits stand. Um Jury zu belauschen, würden sie gewaltig die Ohren spitzen müssen. Cody setzte sich ihm gegenüber.
    Jury sprach mit gedämpfter Stimme. »Ich muss in London etwas erledigen. Ihr Chef meint, Sie würden das vielleicht gern mit mir zusammen erledigen.«
    An die Stelle des ängstlichen Gesichtsausdrucks traten Erleichterung und Neugier. »Was?«
    »Es hat mit Viktor Baumann zu tun.«
    »Baumann.« Er sah nacheinander wütend, traurig, hoffnungslos und rachedurstig aus. »Dieser Dreckskerl.«
    »Wie viel wissen Sie über ihn?«
    »Ich weiß, dass er Mary am Ende das Leben schwer gemacht hat. Ich weiß, dass er Flora entführen ließ.«
    »Das wissen Sie aber nicht mit Sicherheit, Cody.«
    »Doch«, sagte er nur.
    »Wir haben aber keinen Beweis dafür, und was noch schlimmer ist – wir sind bei der Suche nach ihr noch keinen Schritt weiter.« Codys Augen flackerten auf. Der Junge wirkte wie geladen – Jury wusste auch nicht, wieso er ihn als Jungen betrachtete... ja, vielleicht tat er das. Er sah Cody vor sich, vor all den Jahren in Fransenweste und Ledergamaschen, wie er die zwei silbernen Pistolen aus dem Doppelhalfter zog und sich nach einer passenden Stelle umsah, auf die er sein klickendes Sperrfeuer entladen konnte: auf die Kuscheltiere vielleicht, den Stofflöwen oder das Häschen? Auf das Poster von Queen, deren Gitarren wie Gewehre aussahen, so gefährlich? Na, denen verpasste er jedenfalls eine Ladung und die Wand kriegte auch gleich noch etwas ab. Dieser kleine Western spulte sich vor Jurys innerem Auge ab, während Cody voller Ernst von Flora sprach und den endlosen Möglichkeiten, was alles passiert sein konnte. Das war der Ausdruck, den Cody benutzte: »endlos«. Er hatte sich offenbar kleine Szenen ausgedacht, mehrere Miniaturszenerien: Sie könnte in Dulwich sein, in Devon oder Dorset oder überhaupt in einem anderen Land.
    »Ja, das könnte sein.« Wie deine Schwester. Bloß glaubte Jury das nicht. »Sie haben mich gar nicht gefragt, was ich denn genau vorhabe oder von Ihnen will.«
    »Wenn es drum geht, Baumann einzulochen oder Baumann auch bloß Schwierigkeiten zu machen...« Schulterzuckend hob er die Hände, die Handflächen nach außen gekehrt, als ob er sagen wollte: Was soll ich da lang fragen?

37
    Brian Macalvie stand, immer

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