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Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
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sich nicht besonders fromm an, wenn Sie mich fragen.«
    Macalvie ließ sich seufzend an Swayles Schreibtisch nieder. »Dann suchen Sie weiter. Gehen Sie noch zwanzig Meilen weiter raus. Er weiß, wo sie ist.« Macalvie war sich dessen fast sicher, aber »fast« war weit entfernt von todsicher. »Wenn Declan Scott geständig wäre, bekäme er eine ziemlich milde Strafe...«
    »Ja, wahrscheinlich.«
    »Viktor Baumann. Lena Banks und Viktor Baumann. Wenn die mein Kind hätten, würde ich sie eigenhändig umbringen.« Mit einem Blick auf Wiggins fügte er hinzu: »Ich hoffe, Ihr Chef schnappt ihn, den Dreckskerl.«

38
    Cody parkte den Wagen vor Jurys Haus in Islington. Der hatte ihm angeboten, er könne bei ihm übernachten – oder vielmehr bei Stan Keeler. Stan war wieder nach Deutschland gefahren, »wo sie einen zu schätzen wissen«. Jury hatte darüber geschmunzelt. Der gute Keeler hatte also doch einen wunden Punkt – auch wenn dies die einzige Äußerung von Selbstmitleid war, die er je von Stan gehört hatte. Stone hätte bestimmt nichts dagegen, wenn jemand bei ihm in der Wohnung übernachtete, zumal Cody etwas für Hunde übrig hatte. (Später, nach einem Blick auf Carol-Anne, war Jury klar, dass er auch für Frauen etwas übrig hatte.)
    Mrs. Wasserman erkannte Jury am Schritt und stand plötzlich auf ihrer Treppe (die zur Gartenwohnung hinunter führte), vom schmalen Lichtstrahl des Mondes beschienen, der hinter einer schiefergrauen Wolke hervorkam. »Mr. Jury, Mr. Jury.« Sie schüttelte bekümmert den Kopf, als wäre Mr. Jury tatsächlich an allem schuld, was auch immer es war.
    »Mrs. Wasserman! Stimmt etwas nicht?«
    Sie schaute Cody an. Der da stimmte nicht, dieser Fremde, bis Jury ihn ihr als Detective Platt von der Polizei von Devon und Cornwall vorstellte.
    »Ah, noch ein Polizist! Da bin ich aber froh. Davon kann es gar nicht genug geben. Da treibt sich einer herum, Superintendent. Es ist noch keine zehn Minuten her, da stand er hier auf der Treppe.«
    Mrs. Wassermans Verfolgungswahn kam in Wellen, von denen die größten immer dann ans Ufer schlugen, wenn Jury einmal länger als ein bis zwei Tage weg war. Er bot ihr inneren Halt. Vielleicht war ja wirklich jemand hier gewesen, doch es hätte auch der Milchmann, der Postbote oder der Botenjunge vom Chinarestaurant an der Upper Street gewesen sein können. Carol-Anne hatte eine Schwäche für gebratenen Reis mit Garnelen.
    »Haben Sie ihn denn überhaupt gesehen?«
    »Nein, natürlich nicht, dazu war es doch viel zu dunkel!«
    Jury hatte sein kleines Notizbuch und den Schreibstift gezückt. »Können Sie sich noch an irgendetwas erinnern?«
    Sie zwickte sich in die Unterlippe, legte sie in Fältchen. »Bloß dass er groß war. Und dünn.« Für Mrs. Wasserman, die selbst klein und rundlich war, sah allerdings jeder so aus. Während sie es sagte, musterte sie Cody, der in der Tat eine Bohnenstange war. »Ich konnte nicht richtig sehen. Ich sagte Ihnen doch -«
    Lächelnd steckte Jury Notizbuch und Stift weg. »Keine Sorge, wenn er wiederkommt, wissen wir Bescheid. Es war vielleicht bloß jemand, der eine Hausnummer suchte.« Jemand, höchstwahrscheinlich aber eher niemand.
    Carol-Anne, die ebenfalls recht geschickt darin war, Anzeichen von Jurys Rückkehr zu erspüren, kam aus ihrer Wohnung im dritten Stock die Treppe heruntergesaust, als Jury sich mühsam in den ersten schleppte. »Super!«, rief sie und schoss ihm wie eine Rakete entgegen. Wenn er sie nicht in einer Umarmung aufgefangen hätte, wäre sie kopfüber die Treppe hinuntergesegelt.
    »Ein kompliziertes Leben führen Sie, Mr. Jury«, bemerkte Cody. Dabei starrte er Carol-Anne wie einen Sonnenaufgang um Mitternacht an.
    Carol-Anne löste sich aus Jurys Umarmung und wäre gleich in Codys Arme geflogen, wenn er sie ausgebreitet gehabt hätte. Während Jury seine Wohnungstür aufschloss, machte er die beiden miteinander bekannt und sagte: »Ich dachte mir, er kann vielleicht in Stans Wohnung übernachten.«
    Als offizielle Hausverweserin besaß Carol-Anne für jede Wohnung einen Extraschlüssel. Es handelte sich dabei nur um Jury, Mrs. Wasserman und Stan Keeler, der selten zu Hause war. Carol-Anne packte Cody also bei der Hand und entführte ihn sogleich in den zweiten Stock. Jury sah ihr nach. Was hatte sie da heute Abend eigentlich an? Etwas in einem leuchtenden Lavendelton, der den Kleiderschrank einer alten Dame nie von innen gesehen hatte. Betörendes Seidenoberteil und superkurzer

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