Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
Vom Netzwerk:
und ihm verraten, was mit Flora geschehen war.
    Sie sagte: »Die ältere Schwester sollte sich um das Baby kümmern, hat sie aber nicht. Wahrscheinlich wollte sie, dass die Kobolde das Baby holen.« Pansy machte eine Pause. »Wie Samantha, bloß dass Samantha zu den Kobolden gegangen ist. Und dort geblieben ist.«
    »Das Baby ist weggelaufen«, legte Rosie nun los. »Das mach ich auch.«
    »Nein«, sagte Pansy. »Das ist nicht weggelaufen, das wurde gestohlen. Und du kannst sowieso nicht weglaufen, Rosie, also schlag dir das aus dem Kopf.«
    »Kann ich aber doch! Ich kann in den Flur schleichen, wenn sie mal nicht guckt. Und dann kann ich die Tür aufmachen, so wie Alice, und losrennen. Kann ich.« Rosie war den Tränen nahe.
    Alice. Jury spürte, wie sein Herz einen Satz machte. »Was ist denn mit Alice passiert?«
    Rosie rückte näher, legte die Hand auf Jurys Knie und flüsterte: »Die ist auf die Straße gelaufen und dann -«
    »Rosie! Wir sollen doch nicht drüber reden!«
    Pansy schien wirklich Angst zu haben. Kein Wunder.
    »Mir doch egal!«, sagte Rosie.
    Jury fragte: »Ist Samantha ihr hinterher gelaufen?« Sie war selbst noch ein Kind.
    Rosie nickte heftig.
    Pansy hielt sich ganz fest die Ohren zu. Sie wollte nichts davon hören.
    »Okay«, sagte Jury. »Dann reden wir auch nicht darüber.«
    Rosie weinte fast. »Ich kann aber, ich kann.« Sie fing wieder vom Wegrennen an.
    Er legte ihr die Hand auf den blonden Schopf und zauste ihr Haar. »Ich weiß, dass du das kannst. Ich glaube aber, du musst das gar nicht.«
    Pansy musterte ihn verblüfft.
    Rosie hatte Wo die wilden Kerle wohnen herausgesucht und drückte es Jury in die Hand.
    »Eins von meinen Lieblingsbüchern«, sagte er. Was übrigens stimmte. »Okay. Setzt euch hin.« Diesmal hatte er auf jeder Seite ein Kind (Rosie steckte jetzt allein im Mantel und sah genauso aus wie ein Sendak-Kind). Beide lehnten sich an ihn, während er die Geschichte von Max und den grotesk komischen Ungeheuern vorlas, zu denen Max auf seiner Reise übers Meer schließlich gelangte. Als dann alle anfingen herumzuhüpfen und zu tanzen, standen Pansy und Rosie auf und machten mit. Die beiden Mädchen imitierten die Gesichter der wilden Kerle, formten die Hände zu Klauen und jagten einander hinterher. Und fielen dabei fast um vor Gekicher.
    »Jetzt hört mir mal zu. Ich will, dass ihr Folgendes macht.«
    Sie kamen näher.
    »Wir gehen jetzt gleich hinunter, alle drei. Es ist wichtig, dass ihr beide ganz müde und traurig guckt.«
    »Bin ich aber nicht«, sagte Rosie. »Ich bin nicht traurig.« Sie nahm wieder das erste Buch, das neben Jury auf der Bank lag. »Sie können doch das noch mal lesen. Bloß das mit dem Eisbaby weglassen.«
    Sie wollte nicht nach unten gehen.
    »Na, nimm es doch einfach mit!«
    »Okay, mach ich. Aber traurig bin ich trotzdem nicht.«
    »Dann tu so «, sagte Pansy. »Er meint, du sollst so tun , Rosie.«
    »Genau. Wenn ihr nicht ganz verstört ausseht, wird sich Mrs. Murchison wundern, und das wollen wir ja nicht. Wir brauchen fünf Minuten, um uns fertig zu machen. Was ist mit den anderen Mädchen, Pansy?«
    »Wir müssen immer in dem Zimmer da bleiben. Dort gibt es einen Fernseher, aber wir streiten uns meistens, was wir gucken sollen. Es gibt auch Spiele und so Zeug, wir haben aber keine Lust zum Spielen. Aus dem Zimmer kommen wir nur zum Essen raus und wenn wir eine Viertelstunde nach hinten raus dürfen.«
    Beim Anblick von einem der Bilder verzog Rosie das Gesicht. »Frühstück hat mir nicht geschmeckt. Die Eier waren ganz schlabberig.«
    »Wir essen immer an einem Tisch in der Küche, immer drei auf einmal, und Samantha sitzt dabei oder Eddie. Der ist schrecklich. Die sollen auf uns aufpassen, damit wir keinen Ärger machen. Aber Samantha lässt uns auch reden, Hauptsache, es wird nicht so laut. Es gibt bloß nicht so viel zu reden außer über – ähm, also – die schlimmen Sachen, und über die will niemand reden. Die sind zu gruselig.«
    Die tiefste Röte, die Jury je gesehen hatte, stieg ihr ins Gesicht. Voller Scham sah Pansy zu Boden.
    Jury sagte: »Schon gut, Pansy. Du hast nichts Falsches getan. Das waren andere. Wie viele Mädchen seid ihr denn jetzt hier?«
    »Neun. Ich hab sie gezählt«, sagte Rosie. Stirnrunzelnd betrachtete sie eine andere Seite, vermutlich die mit dem Eisbaby.
    »Zehn sind es«, sagte Pansy. »Du hast dich selber ausgelassen.«
    »Das Essen mag ich nicht«, wiederholte die Kleine nachdrücklich.
    Jury

Weitere Kostenlose Bücher