Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
Vom Netzwerk:
losmachte und im Hüpfschritt auf ihn zurannte, während das andere Mädchen ihr hinterherrief. »Rosie!« Aber Rosie stellte sich hin und fragte fröhlich: »Darf ich jetzt rauf? Alle dürfen, bloß ich nicht.«
    Jury blickte zu ihr hinunter. »Ja, natürlich.« Dann musterte er das Mädchen, das so fürsorglich war und nun vor Kummer außer sich schien. »Und sie.« Er nickte dem anderen Mädchen zu.
    »Pansy!«, rief Mrs. Murchison zu ihr hinüber.
    Sie kam rasch her, fast erleichtert, mit Rosie gehen zu können. Es verblüffte ihn, dass sie sich selbst unter diesen abscheulichen Umständen und in der Gefahr für sich selbst noch als Beschützerin fühlen konnte. Aber hatte er Beispiele für solches Verhalten nicht auch bei Erwachsenen beobachtet? Bei dem Mann, der in ein brennendes Gebäude rannte, um einen Fremden zu retten? Und eben darauf vertraute er, stellte er plötzlich fest, froh, dass er überhaupt in etwas Vertrauen hatte.
    »Pansy ist schon seit zwei Jahren bei uns, nicht wahr, mein Liebes?«
    Glaubte diese Frau tatsächlich, Pansy würde sie voller Zuneigung ansehen? Pansy sah überhaupt nirgendwo hin.
    Jedes Mal, wenn diese Frau den Mund aufmachte, wollte Jury ihn ihr mit Gewalt zudrücken. Jedes Wort, das sie sagte, verpestete die Luft im ganzen Raum. Sie rief erneut nach Samantha.
    Samantha bedeutete Jury voranzugehen und sagte, er solle das dritte Zimmer links nehmen. Es wäre sinnvoller gewesen, wenn sie mit den beiden Mädchen vorausgegangen wäre, es war jedoch klar, weshalb sie es nicht tat. Mrs. Murchison hätte den Kunden nicht dadurch in Verlegenheit bringen wollen, dass er Zeuge eines Kampfes wurde, dass er mit ansah, wie die Mädchen gebändigt wurden. Jury konnte hören, dass sich hinter ihm zwischen Pansy und Samantha genau das abspielte. Als sie schließlich jedoch alle die dritte Tür erreicht hatten, war Pansy zur Ruhe gebracht worden. Sie nahm die kleine Rosie bei der Hand, und sie traten ins Zimmer. Jury folgte ihnen.
    Es war ein großes Zimmer und das Mobiliar ebenso dunkel und wuchtig wie unten. Überhaupt nicht wie ein Kinderzimmer, doch es war ja auch kein Kinderleben. Er erinnerte sich an Häuser, die er bei seinen Ermittlungen gesehen hatte, an die Zimmer von kleinen Mädchen – rosa Wände, rosa Kissen, weiche Kuscheltiere, weißer Batist – ein Zimmer, zurechtgemacht wie eine Balletttänzerin. Nicht so wie hier! Bevor sie sich hinsetzten, trat Pansy stocksteif an eine Schranktür, machte sie auf und wartete. Offensichtlich auf ihn. Er trat ums Bettende zu ihr hinüber, weil er annahm, er solle seine Sachen dort aufhängen. Nein, das war es aber nicht. In dem begehbaren Kleiderschrank vor ihm befand sich eine Auswahl an kleinen Kleidungsstücken, Kostümen vielmehr. Er trat hinein, schob die Bügel hin und her, entdeckte ein gemustertes Baumwollkleidchen mit Schürze und kleinem Wellholz an einer Schnur, einen Matrosenanzug, einen winzigen, grellroten Bikini, ein schwarzes Abendkleid. Ganz unterschiedliche Sachen. Pansy beobachtete ihn ängstlich. Er sah sie an und schüttelte den Kopf. Dann trat er wieder hinaus und machte die Schranktür zu. Seinen mit Schaffell gefütterten, warmen Mantel hatte er noch nicht ausgezogen. Das würde er aber auch nicht tun, jedenfalls nicht in diesem Moment. Etwas auszuziehen, selbst wenn es nur ein Mantel war, würde bestimmt bedrohlich wirken.
    Vor sich hin summend stapfte Rosie umher, in irgendein Spiel versunken, bis Pansy sie bei der Hand packte und ihr zuflüsterte, sie solle aufhören. Rosie steckte wieder den Daumen in den Mund.
    Wenigstens ein paar Utensilien aus dem, was eigentlich die Welt eines Kindes sein sollte, gab es: Bücher. Einige standen aufgereiht auf einem von diesen frei stehenden Bücherregalen, wie man sie bei gutem Wetter vor einer Buchhandlung sehen konnte. Jury durchstöberte das Regal in der Hoffnung, dass es sich um richtige Kinderbücher handelte und sich zwischen ihren Seiten nichts irgendwie Pornographisches verbarg. Er fuhr mit dem Finger über die Buchrücken, bis er zu Maurice Sendak gelangte. Er lächelte. Maurice Sendak war wohl das Großartigste, was Kindern seit der Ausmerzung der Pocken passieren konnte. Und bei Maurice Sendaks Kindern wurde auch recht eifrig getrampelt und gestampft. Das würde Rosie gefallen.
    Sie hatten sich nicht von der Stelle gerührt und hielten sich immer noch an den Händen fest. Jury hielt das Buch in die Höhe. »Kommt, wir wollen was lesen.«
    Ernst blickte Pansy an

Weitere Kostenlose Bücher