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Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
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von zwei kleinen Knaben mit Eimern, die sich gegenseitig mit Wasser zu überschütten versuchten. Der eine stand so über dem anderen, dass der untere den Wasserschwall abbekam. Jury musste schmunzeln, denn die Plastik wirkte so drollig in einer so förmlich angelegten Gartenlandschaft, die dabei doch eine Art ungezähmter Wildheit behielt. Es gab Unmengen von Rhododendren in Pink und Weiß, einige hatten große Blätter und zitronengelbe Blüten. Es war erst Anfang März, doch er konnte sich vorstellen, dass das milde Klima von Cornwall alles recht früh zum Blühen brachte. Die Rhododendren umstanden ein kleines Areal, in dem Jury einen Garten im Garten vermutete, vielleicht war es der von Macalvie erwähnte Geheimgarten.
    Üppige Buchsbaumhecken wuchsen im Umkreis und säumten die Fußwege. Obwohl ein Großteil des Geländes umgepflügt war, standen noch Pflanzen in leuchtenden Farben – Hahnenfuß, dazu eine Jury unbekannte, rot blühende Pflanze mit grünen Nadeln, und im Rhododendrengarten ein längliches Beet mit Glockenblumen. Er musste an das kleine Mädchen in der Hester Street denken.
    Das alles betrachtete Jury von der Terrasse aus, die eigentlich die erste von drei untereinander liegenden Geländestufen war. Sie waren jeweils mit Balustraden versehen, und die in der Mitte angeordneten Treppenstufen führten zum Becken und den bronzenen Knaben hinunter. Das Ganze war nicht besonders groß und wirkte, weil von einer Mauer umgeben, beinahe intim. Er ging die Stufen hinunter an den Bronzeknaben mit ihren Eimerchen vorbei bis zum anderen Ende des Gartens.
    Das gelbe Absperrband bildete einen seltsamen Kontrast zu den abgegrenzten Parzellen, die neu bepflanzt worden waren. Seltsam, wie sehr ihn die Stufen nach unten an die Grotte in den Verlorenen Gärten erinnerten. Jury bückte sich unter dem Band durch, um sich die steinerne Bank, auf der die Leiche gefunden worden war, etwas genauer anzusehen.
    Er warf einen Blick zurück auf den Weg, der sich auf halber Strecke um die Skulptur mit den Knaben wand. Vom rückwärtigen Teil des Hauses war die Nische bestimmt gut zu sehen, wenngleich über diese Distanz nichts Konkretes zu erkennen war. Da der Schuss nach Einbruch der Dunkelheit gefallen war, war es jedoch unerheblich, ob bei Tageslicht etwas zu sehen war.
    Warum war diese Frau ein zweites Mal gekommen? Mary Scott war tot, wen wollte sie also treffen? Denn ein Treffen musste der Beweggrund gewesen sein, also musste dieser Jemand eine Verbindung zum Haus haben, dort wohnen oder auch nicht. In jedem Fall ein merkwürdiger Ort für ein Stelldichein.
    Jury nahm denselben Weg zurück und sah zu den Fenstern hinüber, hatte aber nicht das Gefühl, beobachtet zu werden. Als er ums Haus herum wieder nach vorn gelangte, sah er einen alten Mann über eine Schubkarre gebeugt stehen und etwas hineinwerfen, was er gerade aus dem Stück Erdboden gezogen hatte, das er jätete.
    Eine rechte Sisyphusarbeit hatte der Alte vor sich, in Anbetracht des Zustands des Geländes vor dem Haus. Dort war offenbar seit Jahren nichts gemacht worden, doch brachen immer noch neue Schösslinge durchs Erdreich, etwa eine Schwertlilie, die sich ihren Weg durchs Unkraut bahnte. Es musste sich um sehr widerstandsfähige Gewächse handeln, widerstandsfähig oder aber so gut verwurzelt, dass ihnen überhaupt nichts etwas anhaben konnte. Neben einem ausgetrockneten Becken wucherten rosa Kletterrosen in so üppiger Fülle über ein Spalier, dass sie fast die Bänke bedeckten, von denen die Farbe abblätterte und auf denen die Bewohner einst gesessen und die duftgetränkte Luft genossen hatten.
    Der gichtgeplagte Gärtner (jedenfalls hielt ihn Jury dafür) mit seiner Schubkarre würde dies alles nie und nimmer bändigen können. Ein altes Faktotum, vermutete Jury. Man hatte ihn wohl behalten, um ihm das Gefühl zu geben, er könne sich auf seine alten Tage noch ein wenig nützlich machen. Aber vielleicht stand er auch als eine Art Beweis für die Vergangenheit, die unveränderliche, immer gleich bleibende Vergangenheit.
    Dichter Wald schloss sich an dieser Stelle an das Anwesen an. Die Äste der Bäume auf beiden Seiten eines einstigen Bogengangs aus Goldregen bildeten einen dichten Baldachin, den das Licht der Nachmittagssonne kaum durchdringen konnte. Früher musste es wohl einmal eine ganze Allee mit Kastanien, Goldregenbüschen, Platanen und Eichen gewesen sein. Es sah einladend aus, fand Jury, dem gut abgeschirmte Fußwege gefielen. Er folgte

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