Karneval der Toten
verfolgt und vom Schicksal geschlagen, entsprach er eigentlich kaum dem Bild einer tragischen Gestalt. Auf Unterhaltung würde Melrose jedoch verzichten müssen, wenn das Thema Mord zur Sprache kommen sollte. Er wollte gerade darauf zuarbeiten, als Scott selbst es zur Sprache brachte.
»Sie waren bestimmt noch keine zehn Minuten hier, als Lulu Ihnen schon von dem Mord erzählt hat.«
»Ungefähr so lange hat es gedauert, ja. Muss wirklich sehr unangenehm sein – ein Mord in Ihrem Garten.«
Declan lächelte. »Nicht für Lulu. Wobei es mich überrascht, dass die Polizei nicht in der Lage ist, die Frau zu identifizieren. Man sollte meinen, mit all den komplizierten Gerätschaften, die die haben, mit Fingerabdrücken, DNA-Analyse und Zähnen und so weiter wären sie im Nu drauf gekommen, nicht?«
»Na ja, zunächst braucht man etwas, womit man die Fingerabdrücke vergleichen kann. Das Einzige, was dabei herauskam, war die Tatsache, dass sie noch nie verhaftet worden war.«
»Man hat Scotland Yard darauf angesetzt – Ihren Freund.« Declan lächelte. »Ein sehr angenehmer Zeitgenosse. Nach fünf Minuten vergisst man, dass er Polizist ist.«
»Mit dieser Art hat er wohl schon so manchen Schurken gekriegt.«
Declans Lächeln ging übers ganze Gesicht. »Verstehe. Aber diese Frau! Wirklich ungewöhnlich. Es gibt anscheinend nichts, was sie mit irgendetwas in Verbindung bringen könnte. Seltsam, wenn man bedenkt, dass wir in einer Welt leben, in der man sich kaum rühren kann, ohne gleich seine Identität nachweisen zu müssen und wo andere mehr über einen wissen als man selbst – wirklich seltsam. Es scheint fast, als wäre sie zu einem einzigen Zweck aufgetaucht – und dann verschwunden. Oder besser wäre verschwunden , wenn man sie nicht ermordet hätte. Wäre aufgetaucht und verschwunden – wer auch immer sie war, ebendiese eine Person zu diesem einen Zweck.«
Melrose dachte darüber nach.
Declan schüttelte den Kopf. »Zu einem Zweck, den wir nie erfahren werden, in den ich jedoch anscheinend aus irgendeinem Grund involviert bin. Das gefällt mir daran eben gar nicht.« Er stellte sein leeres Glas auf das Rosenholztischchen neben seinem Sessel. Dann betrachtete er kurz das Porträt über dem Kaminsims und sagte: »Sie war so unscheinbar, das fiel einem gleich ins Auge. Seltsam!«
Bestimmt meinte er damit nicht seine Frau, falls es sich hier um ihr Porträt handelte. Sie stand aufrecht in einem schwarzen Samtabendkleid, die Hand auf ebendiesen Kaminsims gelegt. Und war alles andere als unscheinbar.
»In Brown’s Hotel wirkte sie ziemlich fehl am Platz.«
»Brown’s?« Melrose horchte auf. »Meinen Sie das Hotel in Mayfair?«
»Ja, Verzeihung. Man ist das alles schon so oft durchgegangen, dass ich vergessen habe, dass nicht jeder Bescheid weiß. Dort sah ich sie mit meiner Frau beim Tee. Die Frau wirkte irgendwie alt. Nicht an Jahren, eher altmodisch, meine ich. Nein, das trifft es auch nicht. Irgendetwas haftete ihr an, wie Staub, als wäre sie in Sepiatönen gezeichnet, Sie wissen schon, wie diese alten Fotografien.«
»Vielleicht ist das passiert, was auch passieren sollte. Abgesehen vom Ende natürlich, das heißt, von ihrem Blickwinkel aus konnte sie das ja nicht sehen.«
Declan sagte: »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
»Ich überlege nur gerade, ob Ihnen da vielleicht etwas vorgespielt werden sollte.« Melrose nippte achselzuckend an seinem Drink. Es war wirklich ein sehr guter Whiskey.
Declan meinte: »Nun aber Schluss mit Mord. Reden wir wieder von der Gartenanlage.«
Ach, reden wir lieber nicht davon. Melrose seufzte. »Miss Owen sagte etwas von einem Architekten oder Landschaftsplaner.«
»Das ist Marc Warburton. Die Gärtner, das sind die Macmillans. Sie führen gleich außerhalb von Launceston eine große Gärtnerei.«
Warburton. Köstlich, dachte Melrose. Er stellte sich bildlich vor, wie sich sämtliche Touchetts zusammen mit Isabel Archer zur Teestunde über die grasbewachsene Terrasse verteilten. »Aber wenn Mr. Macmillan eine ganze Gärtnerei besitzt, kann denn dann nicht er die Rasenplaggen für die Treppe liefern?«
»Ich habe ihn gefragt. Er war sich nicht ganz sicher, was genau gebraucht wurde.«
Gut. »Also, es kommt bloß auf die Azidität und Alkalinität Ihres Bodens an (gab es diese Substantive denn überhaupt?). Aber das wissen Ihre Gärtner doch bestimmt, wenn sie so viel Erfahrung haben.«
»Sie sagten, sie hätten davon gehört, mehr aber auch
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