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Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
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er inne. »Mist, ich habe vergessen, nach der Adresse zu fragen -«
    »Die habe ich doch hier.« Wiggins drehte kurz an der Schreibtischkartei.
    So hältst du also den Kontakt zu deiner Familie aufrecht, Jury! Und hier ist einer, der deine Verwandtschaft überhaupt nicht kennt, und sogar der hat die Adresse. Und du nicht. »Ausgezeichnet, Wiggins.«
    »Es geht um die Beerdigung, nicht?«
    Jury nickte. »Wie Sie sagten, am Samstag.«
    Wiggins nickte ebenfalls und sah besorgt aus. »Ich weiß, wie es einem dabei ergeht. Es ist, wie wenn das Leben in die Warteschleife gerät.«
    Eher so, wie wenn ein Anrufer sofort wieder auflegt, dachte Jury. »Haben wir den Autopsiebericht von dem kleinen Mädchen schon bekommen?«
    »Ja.« Wiggins reichte ihn hinüber.
    Jury sah ihn sich an. Was Dr. Nancy am Tatort gesagt hatte, wurde darin bestätigt. Zwischen Schütze und Opfer lagen keine vier Meter. Der Schuss war nach unten gerichtet worden.
    »Das wundert einen doch nicht. Sie war erst fünf. Und klein.« Wiggins hob die Hand, deutete eine Pistole in der Luft an. »Beinahe jeder wäre größer als das Kind.«
    »Hmmm.« Jury nahm sich einen Notizblock und holte ein kleines Metalllineal aus seiner Schreibtischschublade. Erst zog er eine Linie von 0 bis 12, dann eine zweite für die Geschossbahn. Er begann, die Waffe auf dem Diagramm allmählich näher zu ziehen: knappe drei Meter, einsachtzig. Die Wunde, die die Geschossbahn hinterließ, würde kleiner werden, je weiter der Schütze entfernt war. Er warf einen Blick auf die Aufnahmen aus der Pathologie. Schwer zu sagen. Die Ausgangswunde war größer, vermutlich hatte der Schuss auf Knochen getroffen und ein Stück mitgenommen. Er dachte über die Geschossbahn nach, dann nahm er den Hörer zur Hand und rief Phyllis Nancy an.
    »Sie wurde sexuell missbraucht, Richard. Für eine Penetration war sie natürlich zu klein, aber es ist alles stark entzündet. Jemand hat es allerdings weiß Gott versucht. Bei einer Fünfjährigen! Wer wäre zu so etwas imstande? Und es ist nicht nur einmal passiert. Wer tut so etwas?« Es klang, als würden die Worte selbst weinen.
    »Ich weiß es nicht, Phyllis. Aber ich werde es herausfinden.«
     
    Detective Inspector Johnny Blakeley war zwar Chef des Dezernats für Sexualdelikte, führte seinen Krieg jedoch als Einzelkämpfer. Es fiel ihm schwer, tatenlos herumzustehen, während seine Kollegen streng nach Dienstvorschrift handelten. Zweimal hatte er deswegen bereits dienstliche Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen, die ihn fast den Job gekostet hätten. Einmal, weil er einen Verdächtigen recht hart angefasst hatte, und ein zweites Mal, weil er sich ohne Durchsuchungsbefehl Zutritt zu einem Privathaus verschafft hatte. Dass er sich seiner Arbeit mit Haut und Haar verschrieben hatte, stand außer Frage.
    Jury erinnerte sich an die fünfminütige Antwort, die er einmal von Blakeley bekommen hatte, als er wegen eines Kinderschänders bei ihm nachgefragt hatte. Knappe Antworten waren von Johnny zu diesem Thema nicht zu erwarten. Und wenn man wegging, war Johnny mit Reden noch lange nicht fertig.
    »Diese Monster glauben tatsächlich, sie sind die Normalen und wir die Abartigen. Die erklären dir ihre Liebe zu den kleinen Schätzchen inbrünstig wie Romeo. Die stellen sich unentwegt als die Speerspitze der aufgeklärten Liebe hin. Sind gebildet, kultiviert. Wenn mir noch einmal einer mit Sokrates und seinen Schülern daherkommt, saufe ich den Scheißschierlingsbecher selber aus. Die sind alle so verdammt selbstbezogen, dass mir ganz schlecht wird.« Der Hörer wurde gegen die Wand geschleudert. Jedenfalls hatte es sich für Jury am anderen Ende der Leitung damals so angehört.
    Nun wurde in West Central der Hörer hochgerissen, als hätte eine Hand schon seit Stunden abwartend darüber verharrt. »Blakeley.«
    »Johnny. Hier ist Richard Jury. Sie hatten mich angerufen?«
    »Genau. Dieses Kind, die Kleine, die in der Hester Street erschossen wurde. Ich kann zwar noch nicht sagen, wie sie heißt, wette aber ein Jahresgehalt – lohnt sich also nicht, die Wette zu gewinnen -, dass ich weiß, wo sie herkommt.«
    »Und weiter.« Hastig zog Jury den Notizblock herüber.
    »In der Straße ist ein Haus, wird seit Jahren als beliebter Treff für Pädophile betrieben. Die Frau, die sich um die Kinder kümmert – was soviel heißt, sie passt auf, dass sie nicht abhauen -, ist ein ganz besonderes Miststück namens Irene Murchison. Sie erinnern sich

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