Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
blass, dass ihre Haut beinahe durchsichtig schien, und um ihre Augen lagen tiefe Schatten.
»Können Sie sprechen? Ist Mikhail am Leben?«
Sie nickte und betrachtete kummervoll das geschwollene Gesicht des Priesters. »Was haben sie nur mit Ihnen gemacht? Warum wurden Sie so zusammengeschlagen?«
»Sie glaubten, ich wüsste wo Mikhail seine Särge aufbewahrt. André meinte ... «
»Wer ist Andre?«
»Der Vampir, der sich der Mörderbande angeschlossen 352
hat. Er ist ein wahrhaftiger Untoter, der sich an Kindern vergreift und dem nichts heilig ist. Seine Seele ist für alle Ewigkeit verdammt. Soweit ich weiß, verbreitet André absichtlich die Vampirlegenden und behauptet, Mikhail sei der Herrscher der Untoten. Wenn man ihn tötet, verwandeln sich angeblich die Vampire in seinem Bann in Menschen zurück. Er muss heimlich über das Blut der Vampirjäger eine geistige Verbindung zu ihnen hergestellt haben und benutzt diese, um ihnen Befehle zu geben.«
Erschöpft schloss Baven die Augen. Sie spürte, wie ihr Herz gegen den Blutmangel ankämpfte. Das Atmen fiel ihr schwer. »Wie viele Vampirjäger gibt es denn?«
»Ich habe drei von ihnen gesehen. Dieser hier ist James Slovensky. Sein Bruder Eugene sollte der Anführer sein, und der Mann fürs Grobe ist Anton Fabrezo.«
»Zwei andere wohnten im Gasthof, zusammen mit dem amerikanischen Ehepaar. Wir dachten, sie hätten das Land verlassen. Dieser André muss über weit mehr Macht verfü-
gen, als wir angenommen hatten.«
Bavens Stimme wurde immer leiser, und die Worte verschwammen. Pater Hummer beobachtete, wie sie versuchte, den Arm zu heben, um sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Doch ihr Arm schien zu schwer zu sein, das Gesicht viel zu weit entfernt. Sanft tat Pater Hummer es für sie.
Raven! Mikhails Stimme klang ängstlich.
Es hätte viel zu viel Kraft gekostet, ihm zu antworten. Der Priester drehte sich ein wenig, sodass Baven ihren Kopf an seine Schulter lehnen konnte. Sie zitterte vor Kälte. »Ich brauche eine Decke für sie.«
»Halt das Maul, alter Mann«, herrschte Slovensky ihn an.
Immer wieder blickte er zum Himmel auf. Die Sonne war aufgegangen, doch schwere Regenwolken verdunkelten die Sonne.
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»Wenn sie stirbt, wird André dich wünschen lassen, du wärst auch gestorben«, erwiderte Pater Hummer.
»Ich brauche Schlaf«, wisperte Raven, ohne die Augen zu öffnen. Sie zuckte nicht einmal zusammen, als Slovenskys Jacke auf ihrem Gesicht landete.
Mikhail musste Schutz vor der Sonne suchen. Ohne seine dunkle Brille und dicke Kleidung brannten seine Augen und seine Haut. Er landete auf einem tiefen Ast und verwandelte sich in seine menschliche Gestalt, während er hinuntersprang. Jacques lag in der Sonne, doch immerhin wurden Gesicht und Hals von einer Jacke bedeckt. Mikhail verlor keine Zeit damit, sich die Wunden seines Bruders anzusehen, sondern hob ihn auf die Arme und glitt dicht über dem Boden auf ein Netz von Höhlen zu, das etwa eine Meile entfernt lag.
Ein riesiger schwarzer Wolf sprang aus dem Wald und begleitete Mikhail. Die silbrigen Augen des Tieres glitzerten drohend. Gemeinsam durchquerten sie enge Felsspalten, bis sie eine große, dampfgefüllte Höhle erreichten. Gregori nahm seine wahre Gestalt an.
Vorsichtig legte Mikhail seinen Bruder auf die fruchtbare, heilende Erde und nahm ihm die Jacke vom Gesicht. Er fluchte leise, und ungeweinte Tränen brannten ihm in den Augen. »Kannst du ihn retten?«
Gregori untersuchte Jacques' schwere Wunden. »Er hat sein Herz und seine Atmung angehalten, um die Blutung zu stoppen. Raven ist geschwächt, weil sie ihm Blut gegeben hat. Außerdem stammen die Erdpackungen auf seinem Hals von ihr. Die Mischung beginnt bereits, die Wunden zu heilen. Ich werde aber noch einige Heilkräuter brauchen.«
»Rette ihn, Gregori.« Dichtes, glänzendes Fell spross auf Mikhails Haut, seine Muskeln zogen sich zusammen, und er 354
nahm Wolfsgestalt an, während er durch das Labyrinth der Gänge wieder nach draußen lief. Er bemühte sich, nicht an Raven zu denken. Auch ihn überkam bereits die bleierne Müdigkeit, die ihn bald dazu zwingen würde, die Erde aufzusuchen.
Doch seine immensen Kräfte und der eiserne Wille halfen Mikhail, die Höhlen zu verlassen und pfeilschnell durch den Wald zu laufen. Seine Pfoten schienen kaum den Boden zu berühren, während er durch Schluchten und über steinige Wege rannte.
Der bewölkte Himmel schmälerte die Kraft der Sonnenstrahlen,
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