Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
Sie empfing den Eindruck von scharfen, bluttriefenden Reißzähnen und gezückten Krallen, aber es handelte sich nicht um ein Tier.
Ein Vampir, Shea. Er ist jetzt da draußen. Die Worte waren ein leises Raunen in ihrem Kopf. Jacques »sah«
durch ihr Bewusstsein und fing das Bild des Killers auf, der hinter ihnen her war. Du musst mir jetzt gehorchen, was ich auch sage. Verstanden P Ja, natürlich. Wo ist er?
Ich weiß es nicht. Ich kann ihn weder riechen noch hören.
Aber was du mit deinem geistigen Auge siehst, ist ein Vampir.
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Obwohl du noch nie einen erblickt hast, sind die Bilder in deinem Bewusstsein so ausgeprägt, dass ich sie einfach für echt halten muss. Bleib dicht bei mir. Wenn er angreift, läufst du sofort weg!
Ich würde dich nie verlassen! Shea streckte das Kinn vor und machte ein störrisches Gesicht. Ich bin durchaus in der Lage, dir zu helfen.
Er würde dich benutzen, um mich zu besiegen. Ich habe schon gegen Vampire gekämpft. Er drängte sie auf den Weg zu ihrer Hütte zurück und gebrauchte beim Laufen nicht nur seine Augen, sondern sein ganzes Sein.
Shea versuchte, mit ihm Schritt zu halten und sich gleichzeitig auf das Gefühl drohender Gefahr in ihrem Inneren zu konzentrieren.
Was es auch war, das sie lautlos durch den dichten Wald verfolgte, es verströmte einen so abgrundtiefen Hass, dass ihr fast schlecht wurde. Ihr Herz hämmerte laut. Dieses Wesen war so schlecht und pervertiert, dass Shea es in der reinen, vom Regen gewaschenen Luft spüren konnte.
Rechts von ihnen schimmerte ein seltsam fahler Nebel; er floss durch den Regen und wand sich durch die Bäume. Er war ungefähr kniehoch und kam jetzt direkt auf sie zu.
Sheas Kehle war wie zugeschnürt, und sie berührte Jacques leicht am Rücken. Er blieb sofort stehen, scheinbar entspannt, aber seine Muskeln waren gestrafft und bereit, wie bei einem Panther, der im Begriff ist, seine Beute zu schlagen. Sie spürte die Bereitschaft in ihm, sehr still und sehr zuversichtlich.
Der Nebel, der jetzt nur noch wenige Meter von ihnen entfernt war, wurde dichter; die Feuchtigkeit begann, in 321
die Höhe zu steigen, und aus den Tropfen entstand die Gestalt eines Mannes. Shea hätte am liebsten vor Furcht geschrien, stand aber ganz still, aus Angst, Jacques abzulenken.
Byrons Körper schimmerte einen Moment lang durchsichtig in der Luft. Shea konnte den Baum hinter dem fahlen Dunstschleier sehen. Dann nahm er feste Gestalt an und stand in der typisch eleganten Haltung des Karpatianers vor ihnen. Er hob den Blick und sah in Jacques' eisige schwarze Augen. »Wir waren jahrhundertelang Freunde, Jacques. Ich kann mich an keine Zeit in meinem Leben erinnern, in der wir nicht zusammen unterwegs gewesen wären. Es ist eigenartig und traurig für mich, dass du mich anschauen kannst, ohne zu wissen, wer ich bin.«
Shea trat unruhig von einem Bein aufs andere. Byrons Trauer schien echt und beinahe mehr zu sein, als er ertragen konnte. Vielleicht sollte sie ihn ansprechen und versuchen, seinen Kummer zu lindern ...
Tu es nicht! Der Befehl war kurz und scharf und in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Jacques stand so regungslos da, als wäre er aus Stein gehauen.
Byrons Worte schienen keinerlei Wirkung auf ihn zu haben.
Byron zuckte die Schultern. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. »Als wir glaubten, du wärst tot, suchten wir deine Leiche, monate-, nein jahrelang. Du bist niemals aus unseren Gedanken verschwunden. Du warst meine Familie, Jacques, mein Freund. Es war schwer für mich, ganz allein weiterzumachen. Gregori, Mikhail und Aidan haben die Jahrhunderte überlebt, weil sie, so allein sie auch waren, ein Band hatten, einen Anker, der ihnen 322
in der Finsternis Halt gab. Du warst mein Halt. Als du nicht mehr da warst, wurde mein innerer Kampf immer mühevoller.«
Als Jacques nach wie vor schwieg, stupste Shea ihn von hinten an. Hörst du nicht, wie er leidet? Er versucht, an dich heranzukommen. Hilf ihm, auch wenn du dich nicht an ihn erinnerst.
Du weißt nicht, ob er sich der dunklen Seite zugewandt hat, warnte Jacques sie. Du hast die Anwesenheit von etwas Bösem gespürt, und er ist da. Ein Vampir kann sich den Anschein von Reinheit, von allem Möglichen geben. Bleib hinter mir.
»Ich wollte dir nur sagen, dass ich froh bin, dass du wieder da bist, und dass ich mich für dich freue, weil du deine Gefährtin gefunden hast. Es war falsch von mir, neidisch zu sein. Ich hätte vorsichtiger in meinem Urteil über etwas
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