Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
einen Moment lang die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war Rand näher an sie herangetreten und beugte sich erneut über ihren Hals.
Geh weg! Die Worte waren so klar und scharf, dass Shea zurücktaumelte, das Gleichgewicht verlor und über einen umgefallenen Baumstamm stolperte.
Jacques raste vor Wut. Lautlos wie ein Phantom glitt er vom Himmel herab, um Shea aufzufangen, bevor Rand es tun konnte. Seine Finger schlossen sich in einem eisernen Griff um ihren Arm. Er half ihr auf, schob sie hinter sich und wandte sich ihrem Vater zu.
»Was willst du hier, Rand?«, fuhr er den anderen an.
Seine Stimme war leise und drohend.
Rand lächelte freundlich. »Wirst du mich jetzt auch töten? Du bist reichlich blutrünstig, nicht wahr? Du behauptest, dass ich ihr Vater bin, und brennst trotzdem 439
darauf, mich zu erschlagen.« Er sah direkt in Sheas Augen. »Ergibt das etwa einen Sinn?« Seine Stimme klang bekümmert. »Dass er den Wunsch haben könnte, deinen Vater zu vernichten?«
»Du versuchst bewusst, sie durcheinanderzubringen.«
Jacques von tiefen Furchen gezeichnetes Gesicht verhärtete sich vor Zorn. Shea ertappte sich dabei, jedes geliebte Detail dieses Gesichts zu betrachten. Auf einmal fand sie Rand gar nicht mehr so schön. Irgendetwas an seinem perfekten guten Aussehen und seinem schmallippigen Lächeln wirkte unheimlich. Rand schien völlig gefühllos, fast leblos und seine Trauer unecht zu sein, während Jacques' kräftige Gestalt vor Gefühlen bebte. In seinem Inneren war ein roter Schleier brodelnden Zorns, dazu Angst, er könnte sie verlieren, und Entsetzen, weil er sie unabsichtlich in Gefahr gebracht hatte. Der Zorn gegen Rand war übermächtig in Jacques. Dieser Mann war tatsächlich imstande, seine eigene Tochter zu betrügen!
Rand seufzte leise und schüttelte den Kopf. »Wie leicht du dich von diesem finsteren Vampir hinters Licht führen lässt. Dein eigener Hals zeigt dir die Antworten, die du suchst. Die Male sind wund und aufgeschürft.
Wer außer einem Vampir nimmt so rücksichtslos Blut?
Misshandelt ein Gefährte seine Frau auf diese Weise? Hat er etwa keine Freude empfunden, als er heute Morgen getötet hat, und zwar, indem er deinen Geist und deine Seele und deine Unschuld benutzte? Hat er nicht weitergemacht, obwohl du ihn angefleht hast aufzuhö-
ren? Und konntest du nicht das dunkle Verlangen und den Hunger in seinen Augen sehen, als er mit blutigen Händen zu dir kam? Konntest du nicht die Lust am 440
Töten sehen? Vampire sind sehr klug und gerissen, mein Liebes, und du bist seiner dunklen Magie verfallen.«
Jacques sah den älteren Mann aus ausdruckslosen schwarzen Augen an. »Forderst du mich zum Kampf heraus?«
Shea schnappte nach Luft. Jacques und ihr Vater? Sie presste beide Hände an ihre Schläfen. Sie konnte diese Konfrontation nicht ertragen, die Vorstellung, die beiden würden um sie kämpfen wie zwei Hunde um einen Knochen, war ihr einfach unerträglich. Sie wusste nicht einmal mehr, was wahr war und was nicht.
Doch, du weißt es, kleiner Rotschopf . Er versucht, dich zu manipulieren. Er glaubte, ich wäre mit Byron beschäftigt, und er könnte dich aus dem Schutz unserer Leute locken. Eine faire Herausforderung wird er nicht akzeptieren, versuchte Jacques, sie zu beruhigen. Shea bemühte sich verzweifelt, nicht die Fassung zu verlieren, aber sie hatte in den letzten Tagen zu viel mitgemacht. Rand hatte das genau einkalkuliert, davon war Jacques überzeugt, und Rand rechnete auch damit, dass die jüngsten Ereignisse Sheas Urteilsvermögen beeinträchtigen würden.
Rand lächelte unbewegt. »Ich möchte Maggie nicht noch mehr Kummer bereiten. Aber ich warne dich, Dunkler. Wenn Mikhail nicht dein Bruder wäre, würde man dich jagen und auslöschen. Du hast die Frau, die ich liebe, getäuscht und verletzt, und ich werde nicht zulassen, dass du damit durchkommst. Aber ich möchte nicht die Ursache sein, dass sie noch mehr leiden muss.«
Jacques entblößte seine scharfen Zähne. »Ich wusste, dass du etwas in der Art sagen würdest. Du ziehst es vor, deine schmutzige Arbeit anderen zu überlassen oder mit Tricks zu arbeiten.«
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Rand zog eine Augenbraue hoch. »Hör ihn dir an, mein Liebes. Als Nächstes wird er mich beschuldigen, mit diesen Menschen, den Mördern an meinem Volk, unter einer Decke zu stecken. Willst du etwa behaupten, ich hätte ihnen Byron ausgeliefert, damit sie ihn foltern und töten können? Und was ist mit Noelle? Vielleicht war ich
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