Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
war, sein Zorn so tief saß.
Jacques seufzte. Ich will nicht, dass du Angst vor mir hast, Shea.
»Wenn du damit aufhören könntest, meine Gedanken zu lesen, Jacques«, sagte sie behutsam, da sie befürchtete, ihn verletzt zu haben, »wüsstest du nicht, worüber ich 132
mir Sorgen mache. Du kannst gewalttätig werden. Das kannst du nicht leugnen. Ich sehe es dir an.«
Ihre schnelle, rastlose Energie war wiederhergestellt, und sie stand auf. Jacques ließ ihr seidiges Haar durch seine Finger gleiten und beobachtete aus halb geschlossenen Augen die Empfindungen, die über ihr ausdrucksvolles Gesicht huschten. Shea war zu einer Täuschung nicht fähig. Was sie war und wer sie war, war ein offenes Buch.
»Ich habe überhaupt nicht nachgedacht, weißt du. Ich bin einfach losgestürzt, um dich zu retten. Ich habe dir große Schmerzen bereitet.« Ihre großen grünen Augen hefteten sich auf sein Gesicht. Ihr Gesicht verdüsterte sich sofort, als sie im Geist seine leicht spöttische Belustigung spürte. »Was ist? Was ist daran so komisch?
Irgendein Idiot hat versucht, einen Pfahl durch dein Herz zu rammen, und er hat das verdammte Ding nicht mal getroffen!«
Wofür ich dankbar bin. Und ich bin noch dankbarer dafür, dass du mich gerettet hast. Es hat mir gar nicht gefallen, eingekerkert zu sein und solche Schmerzen zu leiden.
»Ich denke mal, ich bin froh, dass ich dich gerettet habe aber ehrlich gesagt, Jacques, deine Wunden sind schneller verheilt, als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Du bist jetzt sogar noch gefährlicher. Das stimmt doch, oder?«
Für dich niemals, gab er zurück.
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Ist das wirklich wahr?
Nicht vergessen, ich war geistig mit dir verbunden.« Sie hatte an seinen Geist gerührt und war vor dem brodelnden Hass und dem abgrundtiefen, rasenden Zorn zurückgeschreckt. »Manchmal kann ich in dir genauso 133
leicht lesen wie du in mir. Du weißt die Hälfte der Zeit nicht, was du tust. Du hast keine Ahnung, wer du bist.«
Mag sein, Shea, aber ich weiß, dass du meine Gefährtin bist.
Ich könnte dir nie Schaden zufügen. Sein Gesicht blieb unbewegt, und seine Augen waren dunkel und eiskalt. Sie hatte recht. Er war gefährlich. Im tiefsten Inneren wusste er es. Sein Geist war ernstlich gestört. Sheas Gegenwart bewirkte, dass er ruhig blieb, aber sein Geist war wie ein Labyrinth dunkler, tödlicher Pfade. Er hatte keine Ahnung, ob er imstande sein würde, Albtraum und Wirklichkeit zu unterscheiden, wenn ihre vorsichtig ausbalancierte Welt in irgendeiner Weise ins Wanken geriet. Seine schwarzen Augen verwandelten sich in glitzernden Obsi-dian, und er wandte beschämt den Blick von ihr ab. Er sollte sie gehen lassen, ihr ihre Freiheit geben, aber er konnte es nicht. Sie war sein einziger Halt, sein einziger Weg, der aus der Hölle führte, in der er lebte. Ich habe geschworen, dich zu beschützen, Shea. Ich kann dir nur versichern, dass ich es auch tun werde.
Shea, die plötzlich den Tränen nahe war, trat einen Schritt vom Bett zurück. Jacques bewegte sich wie auf Treibsand, beschritt einen schmalen Weg zwischen Normalität und einer Welt, die sie nicht einmal ansatzweise erfassen wollte. »Ich werde dich beschützen, Jacques. Du hast mein feierliches Ehrenwort, dass ich dich nicht im Stich lassen werde. Ich bleibe bei dir, bis du wieder ganz in Ordnung bist.«
Und dann? Seine dunklen Augen glitten träge über sie.
Willst du dann gehen, Shea? Du rettest mich, um mich dann zu verlassen? Etwas wie schwarzer Humor schwang in seiner Stimme mit, ein heimliches Lachen, das etwas in 134
ihr wachrief, von dem sie nicht gewusst hatte, dass es existierte. Etwas, das über Angst hinausging . . .
Entsetzen.
Sie hob kampflustig das Kinn. »Was soll das heißen?
Natürlich lasse ich dich nicht im Stich. Ich bleibe bei dir und helfe dir. Wir werden uns auf die Suche nach deiner Familie machen.«
Es war zu spät. Auch wenn Shea versuchte, auf Distanz zu gehen, sie konnte ihre innere Bindung nicht lösen.
Sein Blut floss in ihren Adern; sein Geist kannte die Pfade, die zu ihrem Bewusstsein führten. Ihre Seelen riefen nacheinander. Ihre Herzen ebenfalls, und es war nur eine Frage der Zeit, bis er auch ihren Körper besitzen würde. Weglaufen würde nichts nützen. Jacques wusste es so sicher wie nur wenige andere Dinge. Aber ihr dieses Wissen weiterzugeben, würde sie nur noch mehr ängstigen. Sein Herz machte einen seltsamen kleinen Satz. Seine Shea
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