Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
uns stoßen. Als er nicht kam und auch nicht auf unseren Ruf reagierte, suchten wir sein Heim auf. Es war völlig zerstört. Wir konnten weder ein Lebenszeichen von ihm wahrnehmen, noch antwortete er auf unseren Ruf.«
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Jacques' hasserfülltes Zischen stempelte Gregori zum Lügner ab. Rote Flammen brannten in den Tiefen seiner Augen. Ich habe immer wieder gerufen, Shea. Glaub diesem Verräter kein Wort. Er packte sie so fest am Arm, dass er ihr die Knochen zu brechen drohte.
Vielleicht kann ich etwas von ihm erfahren, das uns nützt.
Shea, die sich vor Müdigkeit kaum noch aufrecht halten konnte, musste sich an Jacques' Brust lehnen. Mein Arm tut weh. Sie war so müde. Wenn sie nur schlafen könnte ... Alles schien ineinanderzufließen, und die Stimmen verhallten, als kämen sie aus weiter Ferne.
Gregoris silbriger Blick traf auf Mikhails dunkle Augen. Die Frau ist sehr schwach und braucht möglicherweise noch schneller Hilfe als Jacques. Wenn wir sie verlieren, ist er für uns auch verloren. Für mich besteht kein Zweifel, dass sie alles ist, was ihn bei uns hält. Sie ist seine einzige Verbindung zur Realität.
Mikhail nickte zustimmend.
»Jetzt erzähl du uns, was du weißt«, forderte Gregori Shea auf. Mikhail und er vergaßen keinen Moment lang Jacques' mörderischen Griff um ihren Arm. Gregori musste sie wach halten und dazu bringen, ihnen freiwillig zu helfen.
»Er ist gefoltert worden. Sein Körper war mit Brandwunden übersät, und ein Holzpfahl war durch seine Brust gestoßen worden. Das ist die schlimmste Wunde. Er erinnert sich an zwei Menschen und noch jemanden, den er als Verräter bezeichnet.« Ihre Stimme war sehr schwach.
Ein einziger Laut entschlüpfte Mikhail, ein leises, unheilverkündendes Knurren, bei dem es Shea kalt über den Rücken lief. Ein Vampir, zischte Mikhail. Ein Vampir 225
hat ihn den Menschen ausgeliefert, um ihn foltern und töten zu lassen.
Zweifellos. Gregoris Stimme war unbeteiligt, und er schaute nicht einmal in Mikhails Richtung. Seine ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die Frau. Er musste verhindern, dass sie ihm entglitt, und genau das drohte zu passieren. Nur ihre Entschlossenheit, Jacques zu retten, hielt sie davon ab, sich von Erschöpfung, Schmerzen und Blutverlust überwältigen zu lassen.
»Er war an Händen und Füßen angekettet. Aufrecht stehend in einem Sarg in der Kellerwand begraben.« Sie gab sich große Mühe, deutlich zu sprechen, aber ihre Kehle war wund, und sie war schrecklich müde. »An seinem Körper waren über hundert tiefe Schnittwunden und genauso viele oberflächliche Verletzungen. Er war ein Gefangener der Erde und litt in den Augenblicken des Wachseins furchtbare Schmerzen. Das hat schwer-wiegende Auswirkungen auf seinen Geist gehabt.
Jacques kann sich kaum an seine Vergangenheit erinnern, nur an Bruchstücke. Die meisten seiner Erinnerungen sind Schmerz und Wahnsinn.« Shea schloss erschöpft die Augen. Sie wollte nur noch, dass alle gingen und sie schlafen ließen. Ihr Herz schlug mühsam, Schweiß bedeckte ihren Körper, und ihre Glieder waren bleischwer. Es war schon eine Anstrengung, die Augen offen zu halten. »Derjenige, der ihn verraten hat, war jemand, den er kannte und dem er vertraute.«
»Jacques.« Gregori senkte seine Stimme noch mehr, sodass sie ein Wispern zu sein schien - leise, bezwingend und schön.
»Deine Frau braucht Hilfe. Ich biete euch beiden meine Dienste als Heiler an. Ich gebe dir mein Wort, dass 226
ich zu keinem Zeitpunkt versuchen werde, deiner Frau Schaden zuzufügen.«
Lass ihn, Jacques.
Nein! Es ist ein Trick.
Shea bewegte sich und versuchte, sich aufzusetzen, hatte aber nicht die Kraft dazu. Schau uns doch an, wilder Mann. Sie könnten uns ohne Weiteres töten. Ich bin so müde.
Ich kann nicht mehr.
Jacques versuchte zu überlegen. Er wusste, dass etwas mit ihm nicht stimmte, doch er traute keinem der Männer. Er gab nur nach, weil er spürte, dass Sheas Wohlergehen noch wichtiger war als sein eigenes. Bleib dicht bei mir.
Shea hob kraftlos eine Hand und strich sich mühsam ihr wirres Haar aus dem Gesicht. »Er sagt, dass du ihm helfen kannst.«
»Wir werden dich ins Bett bringen müssen, Jacques.«
Grego-ris Stimme vertrieb die unheilvolle Stimmung im Raum, schob sie beiseite und ersetzte sie durch klare, frische Luft. »Mikhail, ich werde Kräuter brauchen. Du weißt, welche. Sag Byron, er soll mir reichlich schwere Erde aus den warmen Kammern in den Höhlen
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