Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
bringen.«
Gregori glitt näher an das Paar heran, aber die geschmeidige Eleganz seiner Bewegungen konnte die Kraft seiner Muskeln ebenso wenig verbergen wie die Macht, die er ausstrahlte. Er sah sehr ruhig und entspannt und völlig furchtlos aus.
Das leise Grollen in Jacques' Kehle wurde lauter, seine Finger schlossen sich besitzergreifend um Sheas Arm und quetschten Knochen und Sehnen. Gregori hielt sofort inne. »Tut mir leid, Frau, ich weiß, wie schwach du bist, aber du wirst dich auf seine andere Seite bewegen 227
müssen, sonst wird er meine Hilfe nicht zulassen«, sagte er ruhig zu Shea. Was wir brauchen, Mik-hail, ist Ravens besänftigender Einfluss. Du siehst ungefähr so beruhigend aus wie ein bengalischer Tiger.
Ach ja, und du wie ein kleines Kaninchen, gab Mikhail spöttisch zurück.
Du hättest Raven gleich mitbringen sollen, schalt Gregori ihn milde. Du nimmst sie doch auch sonst auf jede gefährliche Mission mit, bei der sie eigentlich nichts zu suchen hat. Das war eindeutig ein Tadel. Du hättest sie hierher mitnehmen sollen, wo sie wirklich von Nutzen wäre.
Durch die offene Tür trat unvermittelt eine kleine, zierliche Frau mit langem, ebenholzschwarzem Haar, das zu einem kunstvollen Zopf geflochten war. Große blaue Augen blitzten Mikhail an. Als Byron sich hinter ihr in die Hütte drängte, schenkte sie Mikhail ein freundliches Lächeln und reckte sich auf die Zehenspitzen, um einen Kuss auf sein Kinn zu hauchen.
Der mächtige Karpatianer versteifte sich und legte sofort besitzergreifend einen Arm um ihre Taille.
»Karpatianische Frauen tun so etwas nicht«, ermahnte er sie.Sie streckte das Kinn vor. Seine Worte schienen sie nicht im Geringsten zu beeindrucken. »Und zwar nur, weil karpatianische Männer ständig den Macho spielen müssen - du weißt schon, sich auf die Brust klopfen und von Baum zu Baum schwingen und so.« Sie wandte den Kopf, um einen Blick auf das Paar zu werfen, das auf dem Boden lag, und zog scharf den Atem ein.
»Jacques.« Sie flüsterte seinen Namen, Tränen in ihrer Stimme und in ihren blauen Augen. »Du bist es wirklich.« Ohne Mikhail zu beachten, der sie 228
zurückhalten wollte, lief sie zu ihm.
Lass sie, sagte Gregori leise. Schau ihn an.
Jacques' Blick war unverwandt auf Ravens Gesicht gerichtet, und die roten Flammen in seinen Augen erloschen, als sie näher kam.
»Ich bin Raven, Jacques. Erinnerst du dich nicht an mich? Dein Bruder Mikhail ist mein Gefährte.« Raven kniete sich neben die beiden auf den Boden. »Gott sei Dank, dass du am Leben bist! Ich kann kaum fassen, dass wir dieses Glück erleben dürfen. Wer hat dir das angetan? Wer hat dich von uns genommen?«
Shea spürte in ihrem Bewusstsein, wie sich etwas in Jacques regte. Erst so etwas wie ein Schock, dann Neugier. Er erkannte diese tränennassen blauen Augen wieder. Shea erhaschte einen kurzen Blick, eine bruchstückhafte Erinnerung, sah die Frau, wie sie sich über ihn beugte, ihre Hände auf seine Kehle presste und Erde und Speichel auf eine klaffende Wunde legte. Shea wartete mit angehaltenem Atem. Jacques' stummer Schrei der Verzweiflung echote in ihrem Kopf. Sie zwang sich, sich zu bewegen und nach seiner Hand zu greifen, um ihm Halt zu geben, während sie schweigend die Frau betrachtete, die neben ihnen kniete.
Du hast mir nicht gesagt, wie schön sie ist, warf sie ihm bewusst vor.
Trotz seiner Schmerzen und Qualen, seines wilden Zorns und des Wahnsinns, der ihn gefangen hielt, schien etwas den eiskalten Kern seiner mörderischen Entschlossenheit zum Schmelzen zu bringen. Wie aus dem Nichts tauchte der Impuls auf, über Sheas leicht gereizten, typisch weiblichen Ton zu lachen. Das Tier in seinem Inneren zog sich grollend zurück, und seine 229
Anspannung ließ spürbar nach. Ist sie das?, fragte Jacques unschuldig.
Sheas grüne Augen hefteten sich auf sein Gesicht, und das Gefühl von Wärme in seinem Inneren verstärkte sich.
Und das Tier war einstweilen gebändigt.
»Ist das deine Gefährtin, Jacques?«, fragte Raven leise.
Jetzt sah Shea sie direkt an, diese Frau, die ein Teil von Jacques' Leben gewesen war. »Ich bin Shea O'Halloran.«
Ihre Stimme war rau und unsicher. »Seit ich ihn gefunden habe, hat Jacques noch kein Wort laut gesprochen.«
Raven berührte mit zarten Fingern Sheas wunde Kehle. »Vielleicht erzählt mir lieber mal jemand, was hier passiert ist.« Ihre blauen Augen musterten die dunklen Flecken eingehend.
»Hilf ihr ins Bett«, schaltete Gregori
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