Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
Vampir selbst konnte tagsüber nicht angreifen, hatte jedoch seinen Gehilfen genaue Anweisungen gegeben, ehe er sich in sein Versteck zurückgezogen hatte.
Der Wagen fuhr die kurvenreiche Straße entlang, während der Fahrer ins Leere starrte.
Aidan wandte sich von der Kreatur ab und glitt in den Kofferraum. Joshua lag wie erstarrt da. Seine linke Wange war angeschwollen, und er bekam bereits ein blaues Auge. Tränen liefen ihm über die Wangen, doch er gab keinen Laut von sich.
Aidan konzentriert all seine Kraft darauf, den Geist des Jungen zu erreichen. Joshua, ich bin bei dir. Du wirst jetzt tiefund fest schlafen, bis ich zu dir komme. Wenn ich zu dir sage: »Alexandria möchte deine blauen Augen sehen«, weißt du, dass die Gefahr vorüber ist. Erst dann wirst du aufwachen. Die Telepathie strengte Aidan sehr an, zumal er um diese Tageszeit am schwächsten war. Außerdem musste er noch einen Bann auf den Kofferraum legen, mit den kompliziertesten, gefährlichsten Zaubersprüchen, die Gregori ihm je beigebracht hatte.
Falls es dem Vampir gelang, sich aus der Erde zu erheben, bevor Aidan zu Joshua zurückkehren konnte, würde er viel Zeit brauchen, um die Zaubersprüche rückgängig zu machen. Joshua würde unterdessen ruhig schlafen und keine weiteren Schrecken erleben müssen.
Aidan sprach die Bannformel, während der Wagen in Richtung Norden in die Berge fuhr. Gregoris Haus lag ganz in der Nähe.
Nein, es konnte nicht Gregori sein! Aidan weigerte sich, es zu glauben. Der Vampir wusste einfach nicht, dass sich der Dunkle in 333
der Nähe befand. Gregori hatte die Seiten nicht gewechselt. Er war so mächtig, dass er sich keiner Schliche hätte bedienen müssen.
Weder die Tiere noch der menschliche Handlanger wären nötig gewesen. Er hätte nicht einmal Joshua entführen müssen. Gregori brauchte keine Hilfe. Er war nicht der Untote. Aidan hielt sich an diesem Gedanken fest, während er seine Magie entfaltete. Die Zaubersprüche würden Joshua beschützen.
Als die Arbeit vollendet war, ruhte sich Aidan erschöpft aus. Er hatte getan, was er konnte. Sobald er genau wusste, wohin Joshua gebracht wurde, musste er nach Hause zurückkehren. Er fürchtete den Rückweg in der prallen Sonne. Für einen Karpatianer gab es nichts Schmerzhafteres als das Tageslicht.
Der willenlose Sklave des Vampirs parkte das Auto vor der Tür einer alten, heruntergekommenen Jagdhütte. Sie war halb verrottet und von Ranken überwuchert. Sofort spürte Aidan, dass sich der Vampir in der Nähe befand. Wahrscheinlich ruhte er unter den vermoderten Dielenbrettern. Ratten huschten umher, die als die Vorboten der Vampire galten. Der Sklave des Untoten, der Sterbliche, der bereits seiner Seele beraubt worden war, öffnete den Kofferraum und versuchte, Joshua am Hemd zu packen und herauszuziehen.
Der Schutzzauber sorgte dafür, dass die Arme des seelenlosen Wesens sofort in Flammen aufgingen.
Aidan war froh darüber, dass der Junge schlief. Der Anblick hätte Joshua zutiefst erschreckt. Verbrennend fiel der Sklave schließlich zu Boden und stieß ein leises Wimmern aus. Er starb langsam und qualvoll. Aidan verabscheute die grausamen Folgen des bösartigen Plans, den der Vampir geschmiedet hatte. Doch die Untoten sorgten immer dafür, dass ihre willenlosen Helfer möglichst lange leiden mussten.
Als die Kreatur sich schließlich nicht mehr regte, untersuchte Aidan die Überreste, um sicher zu sein, dass die Flammen erloschen waren und nicht durch einen Funken den Wald in Brand setzen 334
würden. Als er alle Vorkehrungen getroffen hatte, musste Aidan sich ins grelle Tageslicht begeben, um wieder nach Hause zu kommen.
Er war völlig erschöpft, und der Rückweg dauerte fast den ganzen Nachmittag. Aidan befürchtete schon, nicht mehr genug Kraft zu haben, um sich bei Sonnenuntergang wieder zu erheben und zu Joshua zurückzukehren. Sein Geist wurde immer schwächer, bis er schließlich kaum mehr war als eine Feder, die der Wind vor sich her trug. Nur der Gedanke an Alexandria ließ ihn durchhalten.
Glücklicherweise war dichter Nebel aufgezogen, der Aidan vor den Sonnenstrahlen schützte.
Als er endlich das Haus erreichte, ließ sich Aidan in die unterirdische Kammer sinken, in der Alexandria ruhte. Aidans Körper krampfte sich schmerzhaft zusammen, als er seinen Geist wieder aufnahm. Erschöpft und von bleierner Müdigkeit geplagt, lag Aidan reglos in der Kammer, während sich die Erde über ihm schloss.
Im Erdgeschoss des Hauses,
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