Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
Fontäne aus Erdbrocken, Steinen und vermoderten Holzsplittern schoss durch den dichten Nebel. Die Ratten fiepten ängstlich und ergriffen die Flucht. Ein Heer von Kakerlaken huschte über die brüchigen Dielen. Das windschiefe Gebäude erbebte. Das personifizierte Böse stieg aus der Erde auf und stieß einen gellenden, hasserfüllten Schrei aus. Dann ertönte bösartiges Gelächter, als sich der Untote zum Auto begab, wo seine Beute auf ihn wartete.
Der Nebel schimmerte plötzlich in allen Farben des Regenbogens, und gleich darauflöste sich Aidan in seiner menschlichen Gestalt aus den dichten Schwaden.
Der Vampir beugte sich über den Kofferraum und streckte die Arme nach dem schlafenden Kind aus. Doch dann hielt er misstrauisch inne. Er zog die dünnen Lippen zurück und entblößte lange, gelbliche Reißzähne. Sein Kopf wiegte sich auf einem dünnen, faltigen Hals, der dem eines Reptils ähnelte. Er ließ den Blick seiner kalten, leblosen Augen über den Kofferraum und das versengte Gras gleiten, bis er schließlich die verkohlten Fleischreste entdeckte. Ein lautes Zischen drang aus seiner Kehle. Der Vampir wandte sich um und beobachtete aus starren Augen Aidans Ankunft.
Schließlich trat er vom Kofferraum zurück. »Glaubst du wirklich, mich mit einem so simplen Trick besiegen zu können, Jäger?«, knurrte er vorwurfsvoll. Seine einst so schöne, klare Stimme war nun nur noch ein misstönender Ausdruck seiner verdorbenen Seele.
Aidan blieb stehen. »Wir wissen beide, dass ich keine Tricks brauche, Untoter«, entgegnete er, und seine melodische Stimme bereitete dem Vampir heftige Ohrenschmerzen. »Das ist doch wohl eher dein Stil, da du schließlich sogar kleine Kinder als Köder benutzt. Du bist tief gesunken, Diego. Einst warst du ein guter, 345
aufrechter Mann.« Aidan hatte die Stimme gesenkt, und der Vampir strengte sich an, um jedes Wort zu hören, obwohl er die Reinheit der Töne verabscheute.
»Mann«, höhnte er. »Beleidige mich nicht mit der Bezeichnung für sterbliche Schwächlinge. Du wurdest von Mikhail geblendet.
Jahrhundertelang hat er uns belogen und betrogen, damit wir ihm Gehorsam leisten. Er hat unser Volk zugrunde gerichtet und uns der wahren Macht beraubt. Öffne deine Augen, Jäger, betrachte dich selbst. Du jagst dein eigenes Volk.«
»Du gehörst nicht zu meinem Volk, Diego. Du quälst und tötest Sterbliche, die schwächer sind als du. Frauen, Kinder, unschuldige Menschen. Ich bin nicht wie du.«
Der Vampir zischte voller Hass. »Du hast leicht reden, da noch der Geruch deiner Gefährtin an deiner Haut haftet.«
»Ich bin zweihundert Jahre älter als du. Selbst bevor meine Gefährtin kam und mich ins Licht führte, habe ich nicht die Finsternis gewählt, um mir das Leben zu erleichtern«, widersprach Aidan ruhig. »Leugne nicht die Verantwortung für deine Taten.
Nicht Mikhail hat dich dazu getrieben, nicht deine Sehnsucht nach einer Gefährtin. Du hast dich aus freien Stücken dazu entschlossen, dich in einen Vampir zu verwandeln.«
Diego bleckte die Zähne. Seine bleiche Gesichtshaut spannte sich straff über seinen Schädel. Er hob seine knochige Hand mit den messerscharfen Fingernägeln und deutete auf den offenen Kofferraum. »Du glaubst, dass du zu mächtig für mich bist. Doch auch ich verfüge über gewisse Fähigkeiten.«
Aidan drängte seine Angst um Joshua zurück in einen geheimen Winkel seiner Seele. Er verzog keine Miene und sah Diego gelassen an. In seinem Innern hörte er Alexandrias Schreckenslaut, als plötzlich Schlangen über den Wagen krochen. Aidan rührte sich nicht und sprach kein Wort, nicht einmal, um seine Gefährtin zu beruhigen. Er war stolz darauf, dass auch sie nun schwieg und nur ruhig und vertrauensvoll bei ihm blieb.
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Falls der Vampir eine Illusion heraufbeschworen hatte, war sie nahezu perfekt. Aidan nahm tatsächlich einen Funken Leben in den Reptilien wahr. Wie der Untote allerdings so schnell eine so große Anzahl von ihnen hatte rufen können, wusste Aidan nicht. Er versuchte, die Schlangen zu sich zu rufen, sie von Joshua wegzulocken, doch sie waren die Geschöpfe des Vampirs und standen in seinem Bann. Die erste Natter fiel in den Kofferraum, gefolgt von etlichen anderen. Den dumpfen Aufprall ihrer Körper folgte ein lautes Knistern. Der Geruch von brennendem Fleisch erfüllte die Luft, als eine Schlange nach der anderen ihr Ende fand.
Schließlich hob der Vampir wieder die Hand, sodass die übrigen Schlangen vom Wagen
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