Karpatenfürst - Landers, K: Karpatenfürst
um ihn aufzuhalten.
„Mein Herr, bitte verzeiht, aber Ihr müsst mich anhören.“
Sie griff nach seiner Hand und sah mit sorgenvollem Blick zu ihm auf.
„Was willst du von mir, Hexe?“ Valerij, der zum Aufbruch drängte, war die Störung nicht willkommen gewesen.
„Ihr dürft nicht gehen. Ich habe großes Unheil in meiner Kugel gesehen, das über die Karpaten fallen wird. Verrat. Rebellion. Jemand will Euch vernichten.“
„Was redest du da für wirres Zeug? Wer sollte sich gegen mich stellen? Die Werwölfe? Das ist nichts Neues.“ Valerij entzog ihr seine Hand.
„Nein, es ist jemand unter ihnen.“ Aurikas grüne Augen schweiften über die anderen Vampire und zurück zu Valerij.
Sofort protestierten seine Gefährten und versicherten ihm ihre Treue. Valerij schenkte ihre Beteuerungen Glauben, denn die meisten kannte er schon mehr als zweihundert Jahre. Zwei von ihnen hatten sogar an seiner Seite gegen die Werwölfe gekämpft.
„Siehst du jetzt ein, dass du dich irrst? Alles ehrliche Gefolgsleute. Unter ihnen gibt es keinen Verräter. Und jetzt geh und langweile mich nicht.“ Valerij stieß die Hexe fort und drückte seine Hacken in die Flanke des Pferdes.
„Ihr werdet es noch bereuen, mein Herr!“, rief sie ihm hinterher, als er davonritt. Aber Valerij wollte nichts mehr hören. Erst versuchte sie ihm Mirela auszureden, und nun verdächtigte sie auch noch seine Gefährten. Er hatte ihr zu viel Freiheiten gewährt und die dreiste Hexe glaubte, sich überall einzumischen. Das Maß war voll! Wenn er zurückkehrte, würde er sie aus der Burg werfen. Wie gut, dass Ciprian über Mirela wachte. Er kannte die heimtückische Hexe, die sicherlich keinen Moment zögern würde, irgendeine Schändlichkeit an Mirela zu erproben.
Hinter der nächsten Kurve im Tal lag das winzige Bauerndorf, dem Valerij zuerst einen Besuch abstatten wollte. Dieses Mal würde er keine Gnade unter den Verrätern walten lassen.
Er trieb seine Gefährten zur Eile an, denn er konnte es kaum erwarten, Vergeltung zu üben. Die Hufe der Pferde trommelten den steinigen Weg entlang. Aus der Ferne hörte er die Dorfhunde wie toll bellen. Der Wind trug Brandgeruch mit sich. Einer dunklen Vorahnung folgend, galoppierte er entschlossen vorwärts, seine Gefährten folgten ihm.
Rauchsäulen wie skelettierte Finger streckten sich in den schwarzen Himmel. Ein Dutzend Häuser brannte lichterloh. Die Hunde verstummten, als sie sich dem Dorfrand näherten. Eine plötzliche Stille kehrte ein. Niemand von den Bauern versuchte, die Flammen zu löschen. Waren sie etwa geflohen? Oder hatten sie selbst die Häuser angezündet? Oder waren sie alle von den Werwölfen verschleppt worden?
Gemeinsam mit seinen Gefährten ritt Valerij den schmalen Pfad hinab. Die Hunde rannten mit eingekniffenen Schwänzen winselnd davon. Das ungewöhnliche Verhalten der Tiere und die bedrückende Stille ließen ihn wachsam sein. Vom Brandgeruch überlagert, schwebte ein bissiger Raubtiergeruch über allem.
„Werwölfe“, sagte Valerij und fluchte laut.
Alles diente dazu, ihre Macht zu demonstrieren.
Einer der Vampire sprang vom Pferd und lief die schmale Straße zwischen den brennenden Häusern entlang. Auch Valerij stieg ab. Die Werwölfe begaben sich in den Dörfern auf die Suche nach Weibern und Fleisch. Wieder und wieder brachen sie den Vertrag, der ihnen verbot, auf transsilvanischem Boden zu jagen, dem Revier der Vampire. Dafür würden sie büßen.
Sein Gefährte kehrte mit grimmiger Miene zurück.
„Von den Bauern sind nur noch Reste da. Weiber und Kinder haben sie mitgenommen“, berichtete er.
Valerij presste seine Kiefer fest aufeinander und knirschte vor Zorn mit den Zähnen.
„Lasst uns zum nächsten Dorf reiten“, befahl er und bestieg sein Pferd.
Aber auch im nächsten Dorf erwarteten sie nur Aschehaufen, wo einst die Bauernhäuser und Gesindehütten gestanden hatten. Valerij und seine Gefährten ritten weiter durch das Tal, über dem der Tod wie eine dichte Rauchwolke schwebte. Alle Dörfer waren dem Erdboden gleichgemacht worden.
Valerij ballte die Hand zur Faust und streckte sie empor.
„Zurück zur Törzburg!“, befahl er und ritt voran.
Sie durchquerten den Wald und gelangten an die Lichtung, auf der sich das Zigeunerlager befand. Auch hier bot sich ihnen das gleiche Bild der Verwüstung wie in den Dörfern zuvor. Die Wagen waren ausgebrannt, die Leichen verstümmelt und nackt.
Hinter Valerijs Stirn überschlugen sich die Gedanken.
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