Karpatenfürst - Landers, K: Karpatenfürst
die Floskeln, Baron, sagen Sie mir lieber, welchem Anlass ich Ihren Besuch zu verdanken habe.“
Die Luft in dem überdimensionalen Salon schien Valerij mit einem Mal zu dick.
„Durchlaucht, ich wollte Euch bitten, mir zu gestatten, eine Weile an Eurem Hof zu verweilen …“
Genau das Ansinnen hatte er befürchtet. Erst waren es Jahre, jetzt hieß es nur eine Weile. Lächerlich. Der Baron war wie eine lästige Schmeißfliege. Kaum hatte man ihn des Hauses verwiesen, stand er im nächsten Augenblick wieder vor der Tür. Der bettelte um einen Tritt.
„Eine Weile? Wie lange dauert die?“, unterbrach Valerij unwirsch.
„Nun, eine Weile eben, wenn es mir erlaubt ist.“ Wieder folgte eine Verbeugung des Barons.
Es musste einen triftigen Grund geben, der Drazice bewog, ihn um Aufenthalt zu bitten. Aber was mochte es sein? Düstere Geschäfte?
Eigentlich sollte er froh sein, denn in Prag war für die Vampire Ruhe eingekehrt, seitdem der Orden der Dceras vernichtet worden war. Zum Glück hatte keine dieser Vampirjägerinnen überlebt. Jetzt stand nur noch Drazice seinen Plänen im Weg, Prag zu erobern.
Das Gerücht, Drazices Bündnis mit den Schattendämonen wäre zerbrochen, erschien immer plausibler. Valerij suchte vergeblich in der Iris des Vampirs nach dem blauen Dämonenfeuer. Wenn er Drazice Zuflucht gewährte, könnte ein Konflikt mit den Schattendämonen daraus resultieren, was äußerst riskant war. Schließlich galt es, die rebellierenden Werwölfe im Zaum zu halten.
„Sind Sie auf der Flucht, Drazice?“ Valerij forschte in der Miene des Barons.
Doch der verstand es, eine gleichmütige Miene aufzusetzen.
Nur ein leichtes Zucken der Mundwinkel verriet Valerij, ins Schwarze getroffen zu haben.
„Mitnichten, Durchlaucht. Aber nach fünfzig Jahren sehne ich mich nach Abwechslung. Die Prager sind durch diese Vampirjägerinnen immer misstrauischer geworden. Sie folgen kaum einer Einladung.“
„Aber Sie haben doch diese Dceras bravourös vernichtet. Prag befindet sich wieder in der Hand Ihres Clans. Sie können treiben, wonach es Sie gelüstet.“
Drazice grinste triumphierend, aber in seinen Augen lag eine Spur Wachsamkeit, die Valerij nicht entging.
„Es ehrt mich, dieses aus Eurem Mund zu hören, mein lieber Fürst.“
Die zurückliegenden Jahrtausende hatten Valerij Misstrauen gelehrt, das ihn besonders bei Schmeicheleien vorsichtig werden ließ.
„Sie gehören als Clanoberhaupt nach Prag zurück, Baron.“
Drazice räusperte sich.
„Aber Durchlaucht, meinen Aufenthalt bei Euch würde ich selbstverständlich angemessen entlohnen.“
Er fingerte an seiner Hosentasche und zog einen Lederbeutel hervor, den er Valerij entgegenhielt.
Fragend blickte Valerij auf das ramponierte Ledersäckchen in Drazices Hand. Der Baron schnürte das Bändchen auf und zog das Leder auseinander, sodass er einen Blick hineinwerfen konnte.
„Durchlaucht, es gehört Euch. Nehmt. Meine Bezahlung.“
Valerij misstraute diesem Baron mehr als den Werwölfen. „Zeigen Sie es schon her, Drazice.“
„Wenn Ihr mit Verlaub einen Blick hineinwerft, werdet Ihr verstehen, weshalb ich Euch den Inhalt nicht selbst präsentieren kann.“
Valerij zögerte einen Moment. Drazice würde nie das Schloss verlassen können, wenn ihm etwas zustieße.
Neugierig lugte er in die Öffnung und erstarrte. Seit er als Vampir auf diese Welt gekommen war, hatte er nach diesem Edelstein gesucht, ihn aber nie gefunden. Nun lag er vor ihm. Der rote Stein pulsierte und versprühte ein Feuer, das seinesgleichen suchte. Der Blutdiamant! In ihm war das Blut seiner Mutter Lilith eingeschlossen, das sie in der Wüste Nod im Kampf gegen den Erzengel Michael vergossen hatte.
Vorsichtig streckte er seine Hand nach dem Diamanten aus und nahm ihn aus dem Ledersäckchen, um ihn zu betrachten. Nur einem gebürtigen Vampir war es möglich, den Stein in den Händen zu halten. Für alle anderen war er ein Bote der Hölle, der seinen Besitzer vernichtete.
Als der Stein in seiner Handfläche lag, und er die Finger darum schloss, drängten sich ihm Bilder auf. Er sah seine Mutter, die dem Erzengel im Kampf gegenüberstand. Das Schwert des Erzengels traf Lilith am Arm. Blut spritzte in hohem Bogen aus der tief klaffenden Wunde, das Michael in seiner Hand auffing. Dieser Augenblick genügte Lilith, ihm zu entkommen. Michael, der vor den Augen Gottes versagt hatte, weinte. Eine Träne tropfte auf seine Hand, die sich mit dem Blutstropfen vermischte und
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