Karpatenfürst - Landers, K: Karpatenfürst
geflohen waren.
Danielas feinem Gehör entging nicht das Knacken der Zweige. Sie wirbelte herum und stellte sich schützend vor Roman.
„Wollt ihr wohl weiterkommen?“ Radu zerrte sie grob am Arm.
„Wie weit ist es noch bis zur Hütte?“, fragte Daniela.
„Etwa eine halbe Stunde Fußmarsch, wenn wir uns ranhalten“, antwortete Radu ungehalten und zog sie weiter. Sein alkoholgeschwängerter Atem schlug ihr entgegen.
Aus dem Augenwinkel beobachtete Daniela, wie sich ein dunkler Körper durch das Unterholz schob und sich duckte.
Sie stoppte und zückte das Messer.
„Was ist?“, fragte Roman ängstlich.
Bevor Daniela antworten konnte, versperrte ihnen ein Wolf den Weg, viel größer als ein Bär. Erschrocken schrie sie auf und wich zurück. Er fletschte die Zähne. Von seinen Fängen tropfte Geifer. Es waren riesige Fangzähne, die Bilder hervorriefen, die sie mit aller Macht zu verdrängen versuchte. Jetzt die Nerven behalten und überlegen, so wie sie es in jedem Kampf getan hatte. Wenn nur nicht ihr Magen rebellieren würde. Seine gelben Augen starrten sie an, als wollte er sie hypnotisieren. Daniela hielt den Atem an. Sie hörte ihr Herz laut im Kopf pochen. Was würde der Zigeuner unternehmen, um sie zu beschützen? Sie sah zu Radu hinüber. Der schien mehr Angst zu haben als sie selbst. Er starrte den Werwolf voll Entsetzen an, bevor er herumwirbelte und den Anstieg hinunterraste, ohne sich um seine Begleiter zu kümmern. Das war der Gipfel an Feigheit, nicht einmal um den Jungen kümmerte er sich! Jetzt waren sie und Roman auf sich allein gestellt. Sie hatte noch nie gegen einen Werwolf gekämpft, was sie verunsicherte. Wenn sie doch nur ihren Gegner einschätzen könnte.
„Bleib hier, du feiger Bastard!“, schrie sie Radu hinterher. Am liebsten wäre sie ihm nachgesetzt und hätte ihn mit dem Messer niedergestreckt. Sie hätte vor Wut platzen können und schnaubte. Zitternd presste Roman sich an sie. Der schmächtige Kinderkörper bebte und war eiskalt. Sie fühlte seine Angst, die sich wie ein Schleier über sie legte. Der arme Junge! Sie würde ihn beschützen, schwor sie sich, gleichgültig, was es kostete. Daniela klemmte das Messer zwischen ihre Zähne. Jedes Tier ließ sich mit Feuer fernhalten. Auch ein Werwolf? Sie wusste es nicht, aber sie würde es darauf ankommen lassen. In der einen Hand hielt sie die brennende Fackel und versuchte, den Wolf damit auf Abstand zu halten, während ihre andere Hand Romans umfasste.
Wie befürchtet, zeigte der Werwolf sich von dem Feuer wenig beeindruckt. Blutunterlaufene Augen starrten sie feindselig an.
„Hast du auch schon mal gegen nen Werwolf gekämpft?“, flüsterte Roman ängstlich.
Zum Glück blieb ihr durch das Messer im Mund eine Antwort erspart, denn sie wollte den Jungen nicht noch mehr ängstigen, indem sie ihre mangelnde Erfahrung zugab. Der Werwolf machte einen Satz auf sie zu, aber Daniela gelang es, sich mit Roman geschwind zur Seite zu bewegen. Mit gefletschten Zähnen knurrte die Bestie Daniela an.
Wieder sprang der Werwolf nach vorn, und dieses Mal erwischte er Daniela mit seinen ausgefahrenen Krallen am Arm und zerfetzte den Ärmel. Sie schrie auf und ließ die Fackel fallen, die sofort erlosch. Die Wunden brannten wie Feuer. Daniela presste ihre Hand auf die schmerzende Stelle und spürte, wie das warme Blut zwischen ihren Fingern herausquoll. Roman jammerte. Daniela verbiss sich den Schmerz und hielt ihm den Mund zu, damit sie sich besser auf ihre anderen Sinne konzentrieren konnte. Es blieb ihr nicht viel Zeit zum Handeln. Wenn sie überhaupt eine Chance gegen die Bestie besitzen wollte, musste sie ihn mit einem Angriff überraschen. Sie stöhnte auf. Leichter gesagt als getan. In ihrem Hirn überschlugen sich die Gedanken. Jede erdenkliche Möglichkeit spielte sie im Geist durch, doch nichts war aussichtsreich, im Gegenteil, alles sprach gegen sie. Eine weitere Attacke konnte ihren Tod bedeuten. Daniela verfluchte im Stillen ihre Lage. Da schoss ihr eine kühne Idee in den Sinn. Von unten würde sie gegen die Bestie nichts ausrichten können, dazu war sie ihr kräftemäßig überlegen. Aber gelänge es ihr, dem Werwolf auf den Rücken zu springen … Entschlossen umklammerte sie das Messer fester. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Sie verbot sich, über ein Missglücken ihres Vorhabens nachzudenken. Das hätte sie nur entmutigt.
„Spring auf meinen Rücken, Roman“, stieß sie zwischen ihren zusammengepressten Zähnen
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