Karpatenfürst - Landers, K: Karpatenfürst
die Unaufmerksamkeit des Untiers zunutze zu machen und ihm auf den Rücken zu klettern. Sie lächelte, denn diese Aussicht beflügelte sie. Mit einem Bein holte sie so viel Schwung, dass sie fast auf der anderen Seite wieder hinuntergerutscht wäre. Rechtzeitig warf sie sich nach vorn. Sie spürte die Schulterblätter des Wolfes unter sich. Oben angekommen bedeutete sie Roman, loszulassen und sich festzuhalten.
Der Werwolf bäumte sich auf und sprang hoch, um sie abzuschütteln. Aber Daniela und Roman ließen nicht los. Daniela schob ihren Oberkörper mit dem Messer in der Hand nach vorn an den Werwolfkopf heran. Das Untier kreiselte und buckelte und stank noch schlimmer als sie selbst. Mit mächtigen Luftsprüngen versuchte er, sie von seinem Rücken zu werfen. Der beißende Geruch ließ Übelkeit in ihr aufsteigen.
Lass dich davon nicht verwirren, sondern töte ihn. Tu es für den Jungen.
Sie holte mit aller Kraft aus und stach das Messer ins Auge der Bestie. Der Werwolf stand brüllend auf seinen Hinterbeinen. Roman und Daniela krachten unsanft auf den harten Boden. Der Junge schrie und weinte. Aber er rappelte sich auf und rannte zu Daniela. Sie rollte sich hastig über die verletzte Schulter, um den wild um sich schlagenden Pranken des Werwolfs zu entgehen.
Die Bestie versuchte verzweifelt, das Messer aus seinem Auge zu ziehen. Aber das Gift des Silbers wirkte schnell und fällte den Werwolf. Er kippte seitwärts, genau auf Daniela und Roman zu. Sie mussten sich retten, um nicht unter seinem massigen Körper begraben zu werden.
Mit einem dumpfen Geräusch knallte der mächtige Leib des Werwolfs auf den steinigen Boden. Seine Glieder zuckten, während er Blut und Galle spuckte. Ein letztes Zittern durchlief ihn, bis er reglos liegen blieb. Vorsichtig näherte sich Daniela der Bestie.
„Ist er tot?“, flüsterte Roman.
„Bleib besser, wo du bist, ich sehe nach.“
Der Brustkorb des Werwolfs hob und senkte sich im ungleichmäßigen Rhythmus, begleitet von einem tiefen Stöhnen, das nach wenigen Atemzügen in einem letzten Röcheln endete. Der Körper sackte in sich zusammen, als hätte jemand ihn angestochen. Luft entwich mit einem Pfeifton, der Daniela durch Mark und Bein ging.
Fasziniert und gleichzeitig erschüttert beobachtete Daniela die Rückwandlung des Werwolfes in einen Menschen. Das Fell schob sich in die darunterliegende rosa Haut zurück. Die Muskelpakete schrumpften auf menschliche Größe. An den Läufen zogen sich die Krallen ein. Zum Schluss verformte sich das Gesicht, bis es die Züge eines Mannes angenommen hatte. Nie hatte sie Derartiges gesehen.
Jetzt lag ein nackter Mann zu ihren Füßen, drahtig gebaut, aber nicht so voluminös wie zuvor als Werwolf. Er wirkte überhaupt nicht gefährlich, sondern eher zerbrechlich. Der Tod war wie ein Fluch, der das Leben einer Dcera stets begleitete. Das Schlimme daran war, dass es ihr von Mal zu Mal schwerer fiel, zu töten. Sie blickte auf ihre blutigen Hände hinab und fröstelte. Würde sie denn nie Ruhe finden?
Roman war hinter sie getreten und lehnte sich atemlos an sie. Sie roch die Angst in seinem Schweiß und hörte sein Herz in der Brust schlagen. Um seinetwillen mussten sie so schnell wie möglich an einen sicheren Ort. Hier konnten sie nicht verweilen, denn sie wusste, dass Werwölfe im Rudel lebten und nur selten als Einzelgänger herumstreunten. Die anderen würden sie suchen, um den Tod ihres Clanmitglieds zu rächen. Der Weg zur Berghütte war bestimmt weiter als zum Zigeunerlager, wo die Vampire sicher bereits eingetroffen waren. Die Blutsauger waren nicht zu unterschätzen, aber sie begab sich bei ihnen auf gewohntes Terrain, was ihr mehr Sicherheit vermittelte. Sie beugte sich über den Werwolf, dessen Körper schrumpfte, und zog mit einem Ruck das Messer aus ihm heraus. Sie wischte die Klinge an ihrer Kleidung ab und schob die Waffe zurück in die Scheide unter ihrer Kleidung. Mit Tränen in den Augen schlug sie in der Luft ein Kreuz über ihm.
„Möge Gott sich deiner dunklen Seele erbarmen.“ Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Mit jedem Mord starb auch ein Teil von ihr.
„Komm, wir laufen zurück ins Lager.“ Sie griff nach Roman und zog ihn mit sich. Seine Hand fühlte sich feucht und zittrig in ihrer an.
Die viel zu weite Hose rutschte ständig, und behinderte Daniela beim Laufen. Sie fluchte leise vor sich hin, jedes Mal, wenn sie auf den Saum trat und stolperte. Also raffte sie die Hose mit der
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